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Wildnis 1.0

Manchmal kommt man an einen Punkt im Leben, an dem man alles Bisherige in Frage stellt – nicht zuletzt auch die Art, wie man bisher seinen Urlaub verbracht hat. An einen solchen Punkt war ich im Frühjahr 2014 gelangt, und daher Feuer und Flamme, als ich von den scandtrack-Kanutouren in den Nordmarken gehört habe. Das versprach alles, wonach ich gesucht hatte: Natur, Abenteuer und Stille. Da es mein erster Urlaub dieser Art werden sollte, war schnell klar, dass ich mich – zunächst schweren Herzens - einer Gruppe anschließen musste. Und so ging es also mit dem Bus ab Frankfurt in 19-stündiger Fahrt nach Schweden. Ich war noch nie zuvor in diesem Land, und als die Sonne aufging, erwartete mich bereits eine Landschaft, wie ich sie aus Lindgren-Verfilmungen kannte, gesprenkelt mit gemütlich aussehenden roten Häuschen.

Das Zusammenleben in der Gruppe gestaltete sich entgegen meiner Befürchtungen sehr angenehm. Obwohl in puncto Alter, Herkunft, Beruf und Outdoorerfahrung bunt gemischt, entstand in der Gruppe rasch eine Gemeinschaft, in der Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme selbstverständlich schienen. Es war interessant, spannend und oft auch lustig, alle diese unterschiedlichen Menschen näher kennenzulernen und ihren Geschichten bei den allabendlichen Lagerfeuern zu lauschen. Zur Entwicklung dieses Gemeinschaftsgefühls trugen nicht nur die allgegenwärtigen Aufgaben wie Ausrüstung schleppen, kochen, spülen etc. bei, sondern vor allem unser Guide Jenny, die uns mit hilfreichen Tipps zum Leben draußen versorgte und uns schließlich unseren letzten gemeinsamen Abend mit Gitarrenmusik am Lagerfeuer versüßte. Highlights im Zusammenleben mit der Gruppe waren nicht zuletzt das Bauen und Ausprobieren einer Schwitzhütte, das Kentertraining, die 2km-Umtrage durch Töcksfors, Klippenspringen und Sonnenbaden auf der Insel Bärön sowie die Zubereitung einer Pilzpfanne mit selbst gesammelten Pilzen.

Aber am meisten überwältigt und verzaubert war ich von der mich umgebenden Natur: Von den kleinen verlockend und gemütlich wirkenden Inseln im See, und von sandgesäumten Buchten, die unvermittelt zwischen Nadelbäumen und moosbewachsenen Granitfelsen auftauchten. Von dem warm duftenden und federnden Waldboden aus Piniennadeln, der jeden Schritt dämpfte und das Aufstellen der Zelte zum Kinderspiel machte. Von dem leisen Knacken der Pinienzapfen unter den Sohlen. Von kleinen verwunschenen Pfaden, die sich zwischen knorrigen Heidelbeersträuchern, filigranen Moosen und glattgeschliffenen Granitfelsen durch die Wälder schlängelten. Von dem Meer verschiedener Grüntöne, das gesprenkelt wurde von violettem Heidekraut und dem Rot der Fliegenpilze. Von der Vielzahl unterschiedlichster Pilze, die sich unter Bäumen und zwischen Felsen versteckten. Von der unglaublichen Weite des Himmels mit seinen bizarren Wolkenformationen, wenn wir uns mit den Kanus weit draußen auf dem Foxen von den Wellen schaukeln ließen oder mit dem Gegenwind kämpften. Von dem glasklaren und kühlen Wasser des Sees, der mal vom Wind aufgewühlt fast bedrohlich wirkte, dann wieder glatt und still wie ein Spiegel in der Abenddämmerung lag.

Ich habe die Sonne auf den von ihr gewärmten Steinen genossen, habe im eiskalten Wasser gebadet und mich dabei lebendig gefühlt. Ich habe das Glitzern und Funkeln, die unvorstellbare Weite eines Sternenhimmels erleben können, der nicht vom Licht der Zivilisation überstrahlt wurde. Ich habe den Aufgang eines riesigen vollen Mondes über dem See beobachten können. Ich habe bei Sonnenaufgang den See in einen Schleier aus Nebel gehüllt gesehen, der von den ersten goldenen Sonnenstrahlen zum Leuchten gebracht wurde und die gegenüberliegenden Ufer in schemenhafte Umrisse verwandelte. Bei heulendem Wind und dem Plätschern der Wellen habe ich, nur geschützt von einer dünnen Schicht Zeltstoff, zum ersten Mal seit Monaten geschlafen wie ein Baby. Einige Male bin ich während dieser Woche auf dem See an meine Grenzen gekommen – und habe dabei ganz neue Seiten von mir kennengelernt. Ich habe erlebt, wie tröstlich ganz basale Dinge sein können: ein – wenn auch dünnes – Dach über dem Kopf, ein wärmender Schlafsack, ein heißer Tee und die Gesellschaft von netten Menschen an einem prasselnden Lagerfeuer. Alle diese Erfahrungen haben mir das gegeben, wonach ich gesucht und schließlich nicht nur im Draußen gefunden habe: Klarheit und Stille.
geschrieben von Mirjam A. am 15.10.2014
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