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Ein Abenteuer in Schweden

Eine kleine Geschichte über die Schönheit der Natur, Abenteuer und neue Freundschaften

Alles begann in einer Bar in Berlin. Schon ein wenig mitgenommen vom langen Tag hingen wir in unseren Sesseln und schauten über die Dächer der Stadt. Irgendwann seufzte M. und meinte: „Ich will dieses Jahr unbedingt in Schweden Kanu fahren“. Und ich antwortete spontan nur: „Geil, ich bin dabei!“. Und schneller als gedacht wurde das, was ich als melancholisches Geschwafel abgetan hatte, Wirklichkeit. Zwei Wochen später stand fest: In der ersten Septemberwoche geht es für uns beide mit ‚Scandtrack‘ zum Kanu fahren nach Schweden.
Am 2. September war es dann endlich so weit. Um 18.30 Uhr sollte unser Bus uns am ZOB in Berlin abholen und nach Schweden bringen. Hoch motiviert und voll bepackt warteten wir auf unseren Bus. Und wir warteten und warteten. Nach eineinhalb Stunden Verspätung und der ersten Befürchtung, dass unser Traum vom Urlaub doch noch platzen könnte, ging es aber doch noch los für uns. Wir machten es uns im Bus bequem, wobei bequem hier womöglich ein wenig übertrieben ist.
16 Stunden, zwei Fährüberfahrten und eine Elchfarm später kamen wir dann am Morgen in Schweden an. Aber ein richtiges Gefühl der Freude konnte sich bei uns beiden noch nicht einstellen. Zu unausgeschlafen und aufgeregt waren wir. Auch unsere ersten Minuten im Camp waren noch ein wenig zurückhaltend und verklemmt. Doch nach einem Hotdog morgens um halb elf, war dann auch der letzte von uns aufgetaut, was sich unter anderem durch das Gewusel im Camp bemerkbar machte. Es dauerte auch gar nicht lange bis wir den Abenteuerpfad bis zum zweiten Camp nehmen durften. Eine erste Herausforderung für uns, da wir unser doch relativ schweres Gepäck durch den Wald schleppen durften. Ein guter Einstieg für das, was uns in den nächsten sieben Tagen erwarten sollte. Das ein-, aus- und umpacken beanspruchte dann für die nächsten drei Stunden unsere volle Aufmerksamkeit. Als wir endlich damit fertig waren unser ganzes Hab und Gut zum Steg zu schleppen, war jegliche Unsicherheit, Müdigkeit oder Aufregung verschwunden. Was blieb war Vorfreude, Abenteuerlust und eine große Portion Glücksgefühl.
Damit ausgerüstet starteten wir unsere Abenteuerreise. Die ersten Paddelschläge verliefen noch etwas holprig und nach dem Ablegen wurden wir von viele Kanu fahren kritisch beäugt, da M. und ich unsere Paddel beide auf der gleichen Seite hatten. Aber aus irgendeinem uns unerklärlichen Grund, sind wir auf diese Weise besser vorangekommen. Nachdem wir vier Stunden lang gepaddelt waren, so ziemlich jede Bucht mitgenommen hatten, die auf dem Weg lag, weil das Steuern doch noch nicht ganz so gut klappte und hunderte Fotos gemacht hatten, hielten wir langsam Ausschau nach unserem Lagerplatz. Wir legten an der ersten Landzunge an, mussten feststellen, dass wir falsch waren und fuhren zur nächsten. Auch die war uns nicht genehm und so entschieden wir uns für die dritte Lagerstelle. Allerdings hatten dort schon zwei Jungs vor uns angelegt. Nach kurzem Beratschlagen, ob wir eventuell doch noch zu Lagerplatz Nr. 4 weiterpaddeln sollten, entschieden wir uns im Endeffekt dazu, den Jungs für die erste Nacht Gesellschaft zu leisten. Wie sich schnell herausstellen sollte, waren wir alle ungefähr ein Alter und, wie der Zufall es so will, auch alle Studenten. Für Gesprächsstoff war also gesorgt.
Der nächste Tag hielt viel Sonne für uns bereit. Das gute Wetter nutzte ich gleich einmal um in dem spiegelglatten, aber auch vor Kälte dampfenden Wasser schwimmen zu gehen. Es sah malerisch aus, war aber saukalt. Trotzdem war es einer der schönsten Momente unserer Reise. Nach unserem Frühstück fuhren wir weiter. Die Jungs hatten schon vor uns abgelegt, doch bis zum Umtragen hatten wir sie wieder eingeholt. Unser Vorsprung hielt jedoch nicht lange an. Denn wir mussten schnell merken, dass sich Umtragen leichter anhört, als es eigentlich ist. Natürlich waren wir viel zu faul, um das ganze Kanu leer zu räumen. Daher versuchten wir den Wagen im Wasser unter dem Kanu festzuschnallen. Allerdings wollte auch niemand von uns dabei so richtig nass werden, weshalb das in ein ziemlich umständliches Unterfangen ausartete. Bald hatten aber auch die Jungs wieder aufgeholt und zu viert schafften wir es die zwei Kanus sicher an Land zu bringen. Die Überfahrt zum nächsten See entpuppte sich allerdings auch als echtes Abenteuer. Hügelige und kurvenreiche Feldwege waren nur ein Hindernis, eine sehr schmale Landstraße ein weiteres. Und auch das Boot zu Wasser zu lassen hatten wir uns einfacher vorgestellt. Aber trotz allem, das Gefühl sein Kanu mit Sack und Pack durch die schwedische Pampa zu ziehen, hatte irgendwie etwas Zufriedenstellendes.
Und unser nächster Lagerplatz entschädigte uns für jegliche Strapazen. Wir fühlten uns dort wie auf unserer eigenen kleinen Insel. Allerdings blieben wir nicht lange zu viert. Eine andere Vierergruppe, die ihre Kanus zu einer Art Katamaran zusammengebunden hatte legte ebenfalls an „unserem Inselchen“ an. Nach ein paar Sekunden anfänglicher Skepsis legte sich auch hier jegliche Scheu und bei einem großen Lagerfeuer lernten wir uns alle besser kennen.
Am nächsten Morgen wurden wir wieder alle mit wunderschönem Wetter belohnt. Wir hatten nur eine kleine Strecke vor uns, die uns an ziemlich großen Felswänden vorbeiführte und, wie sollte es anders sein, uns wieder zum Umtragen zwang. Aber diesmal waren wie schon etwas routinierter und so meisterten wir die wirklich knifflige Strecke mit Bravour. Unser nächster Schlafplatz befand sich diesmal auf einer richtigen Insel, die wir auch sehr schnell zu unserem Eigen machten. Die Jungs tobten sich einmal richtig aus beim Holz hacken und auch für das Kochen nahmen wir uns das erste Mal richtig Zeit. Es wurde kein langer Abend, da wir alle einstimmig entschieden hatten, am nächsten Tag die größte Etappe unserer Route schaffen zu wollen. Keiner von uns dachte auch nur im Geringsten daran, dass das Wetter schlechter werden könnte.
Und so überraschte uns der starke Wind am nächsten Morgen. Wir starteten dennoch optimistisch in den Tag. Doch schon bald mussten wir feststellen, dass Kanu fahren bei starken Windböen und verhältnismäßig hohen Wellen gar nicht so leicht ist. Dementsprechend angespannt war auch die Stimmung im Boot. Insbesondere, als wir dann auch noch in der falschen Bucht landeten. Aber da aufgeben auf dem Wasser keine Option ist, schafften wir es doch noch zur nächsten Umtragestelle. Total erleichtert zogen wir unser Kanu durch die Orte und freuten uns schon, das Schlimmste hinter uns gebracht zu haben, als wir die Bucht, bzw. den kleinen Hafen erreichten, von dem aus wir starten sollten. Hier fing der Spaß nämlich erst so richtig an.
Der Seegang war in dieser Bucht noch viel stärker, als in dem See zuvor. Und der Wind kam uns direkt entgegen. Wir warteten also auf die Anderen, um eine gemeinsame Krisensitzung abzuhalten. Die beiden Jungs wollten daraufhin die Lage für uns „checken“, räumten ihr Kanu leer, um später keine Sachen aus der Bucht fischen zu müssen und wagten sich ins Wasser. Es dauerte keine zehn Sekunden, da waren sie schon gekentert. Mit gemischten Gefühlen betrachteten wir das Spektakel vom Steg aus. Da in diesem vermeintlichen Hafen das campen strengstens untersagt war und wir auch keine Lust hatten, unsere Kanus die zwei Kilometer zurück zum vorherigen See zu ziehen, entschieden wir uns für die Flucht nach vorn. Wir beschlossen, auch die anderen beiden Kanus zu einem unkenterbaren Katamaran umzubauen und holten uns bereits gefällte Bäume aus dem Wald. Und schon nach kurzer Zeit hatten wir auch den zweiten perfekten Katamaran gebastelt. Wir tauschten noch die Personen aus, sodass jeder Katamaran mit zwei Frauen und zwei Männern besetzt war und stachen in See.
Auch hier hatten wir uns unser Vorhaben leichter vorgestellt. Wir kamen kaum voran und unsere Kanus füllten sich von Minute zu Minute immer stärker mit Wasser. Nach einer guten dreiviertel Stunde hatten wir es gerade einmal aus der Bucht geschafft und schafften es gerade noch um die Spitze der Landzunge, bevor wir an der nächsten, annähernd nach Bucht aussehenden, Stelle anlegten. Wir waren klatschnass. Dennoch voller Tatendrang und im absoluten Abenteuermodus, schleppten wir unsere Sachen auf einen Felsen und bauten unser Lager auf. Um uns vor dem Wind zu schützen, spannten wir alle Planen auf, die wir hatten. Und aus der Not heraus, nahmen wir auch den Ameisenhaufen in Kauf, neben welchem wir in dieser Nacht würden schlafen müssen. Dank kluger Arbeitsteilung hatten wir uns schnell ein gemütliches Lager hergerichtet, doch leider war das Glück an diesem Tag nicht auf unserer Seite, denn es fing auch noch an zu regnen. Also gingen wir alle früh schlafen.
Dank des frühen zu Bett Gehens, wachte ich am nächsten Morgen zwei Stunden vor den anderen auf. Es war zwar immer noch sehr stürmisch, aber irgendwie hatte der Wind auch etwas Befreiendes. Ich kletterte die Felsen am Wasser entlang und spazierte einfach zwei Stunden lang auf den kleinen Trampelpfaden. Ich habe selten etwas Erholsameres erlebt. Den Kräften der Natur zuzuschauen und dabei seinen Gedanken freien Lauf lassen, ermöglicht eine ganz andere, viel entspanntere Sicht auf die Dinge. Ausgeglichen kehrte ich ins Camp zurück.
Die nächste Etappe legten wir aufgrund des starken Windes noch als Katamaran zurück. Wir machten kurz Halt auf einer Insel und tankten Kraft in der Sonne, bevor wir uns zu der Umtragestelle in Lennartsfors begaben. Die zu finden war auch kein einfaches Unterfangen. Und ein bisschen bedauerten wir auch, dass die Schleuse bereits seit einer Woche geschlossen war.
Dafür kam nach dem Umtragen nur noch ein entspannter Teil zu paddeln. Wir machten noch einmal kurz Halt im Scandtrack-Camp und deckten uns mit reichlich Keksen ein, bevor wir das erste Mal den Sonnenuntergang vom Wasser aus genießen konnten. Die nächste Insel hatten wir dann wieder für uns vier alleine, was wir auf dem Weg nach Norwegen nicht erwartet hatten. Glücklich, wieder ein Feuer machen zu können, erlebten wir einen weiteren entspannten Abend.
Am nächsten Morgen war der Himmel grau und es war kühl. Fast schon im Nebel machten wir uns auf in Richtung Norwegen. Aber glücklicherweise hatte sich der Seegang etwas beruhigt, weshalb wir, ganz entspannt und ohne Aufregung, die Stille genießen konnten. Unser Ziel, die Insel durch welche die schwedisch-norwegische Grenze verläuft, war wie erwartet gut besucht. Wir entschieden uns für die Lagerstelle auf der schwedischen Hälfte der Insel und trafen dort zwei Leute aus unserem Bus wieder. Es wurde ein sehr entspannter Nachmittag. Wir bauten einen Steinmenschen und tauften ihn auf den Namen Cornelius, kochten noch einmal richtig und machten am Abend beim Lagerfeuer leckeres Stockbrot. Wir wurden immer kreativer und füllten es mit Nutella, Marmelade oder kandierten es über dem Feuer. Es war mal wieder ein gelungener Abend und wir blickten dem Ende unserer Reise mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen.
An unserem letzten vollen Tag begaben wir uns schon einmal in Richtung Scandtrack-Camp und legten erneut an einer Insel an. Auch hier waren wir nicht alleine, sondern trafen acht weitere Studenten, die auch gemeinsam auf Tour waren. Sie erzählten uns von einem Autofriedhof vor der norwegischen Grenze und so beschlossen wir, diesen am nächsten Morgen, vor der Abreise, noch anzusteuern. Wir feierten einen lustigen letzten Abend mit vielen Lagerfeuerspielen und am nächsten Morgen genoss ich noch ein letztes Mal die bedingungslose Ruhe, bevor alle anderen wach wurden. Wir beeilten uns ausnahmsweise einmal mit dem Zusammenpacken und machten uns auf den Weg zum Autofriedhof. Bereits auf der kurzen Überfahrt von der Insel ans Festland merkten wir, dass wieder ein wenig Wind aufgekommen war. Aber inzwischen waren wir ja geübte Kanufahrer. Wir legten also an, wanderten ein Stück einen Feldweg entlang und kamen irgendwann am Autofriedhof an. Es war wie in eine andere Welt einzutauchen. Selbst für mich als Mädchen war es einfach nur faszinierend. Diese verrosteten Autos, wie sie im Laufe der Zeit mit der Natur verwachsen sind, das war wie in einem Mystery-Film. Bestärkt wurde dieser Effekt noch durch den Wald und die verlassenen Häuser. Wir waren alle sehr glücklich, dass wir uns noch für diesen Ausflug entschieden hatten, mussten dann aber leider viel zu früh wieder den Rückweg antreten.
Und als wollte Schweden uns loswerden, frischte pünktlich zu unserem Ablegen der Wind auf und es begann zu regnen. Einen leichteren Abschied hätte man uns wirklich nicht bescheren können. Dennoch war es lustig zu sehen, wie plötzlich, aus allen Richtungen, Kanus mit roten Schwimmwesten zusammenkamen. Erschöpft, aber glücklich erreichten wir mit gefühlt 150 anderen fleißigen Paddlern das Scandtrack-Camp. Nun mussten wir nur noch das Kanu putzen, alles wieder umpacken und ganz wichtig: richtig duschen!
Die Verabschiedung von den beiden Jungs viel uns dann doch schwerer als gedacht. Die eine Woche Kanu fahren hatte uns vier richtig zusammengeschweißt. Mit einem gemeinsamen Abschiedsfoto endete jedoch unser Abenteuer.
Wenn ich heute an diesen Urlaub zurück denke, dann kommen mir drei Dinge in den Sinn. Diese unglaubliche Stille, in die ich mich in stressigen Momenten gedanklich zurückziehe. Die kleinen Abenteuer, die wir erlebt haben und durch die ich einen viel entspannteren Blick auf vermeintliche Probleme entwickelt habe. Und an die Freundschaft. Denn aus zwei macht vier und aus vier macht irgendwie auch acht. Acht Fremde, die durch gemeinsame Erinnerungen und Erlebnisse auf ganz unerklärliche Art und Weise für immer verbunden sein werden. Das alles bedeutet für mich Kanu fahren in Schweden…
geschrieben von Annika Z. am 16.10.2016
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