Leben in der Lage

Reisebericht Scandtrack Kanutour 2021 in Schweden

„Leben in der Lage“ – so tauften wir das eher humorvoll gemeinte Urlaubsmotto unserer vierköpfigen Outdoor-Truppe aus Baden-Baden. Dass uns dieses Motto während unserer siebentägigen Kanu-Tour tatsächlich noch einholen würde, war uns zu dieser Zeit noch nicht bewusst…
Nach der überraschend kurzweiligen Zug- und Busreise von Baden-Baden nach Lennartsfors in Schweden, die wir unter anderem schon zum Üben der wichtigsten Bushcraft- Knoten nutzten, kamen wir am Vormittag des 21.08.2021 voller Vorfreude im Scandtrack-Basiscamp an. Nach einem Kaffee, einem ersten Eindruck eines Outdoor-Thrones (ihr wisst schon was ich meine) und einem kleinen Snack bekamen wir vom Scandtrack-Team unsere Ausrüstung, Verpflegung und unsere Zweier-Kanadier, die wir, nach dem Umpacken unserer wenigen privaten Dinge in wasserdichte Packsäcke, in die Kanus verluden und unsere erste Paddelerfahrungen auf dem Foxen machten. Zwar musste sich das Zweierteam um Pascal und Nico noch den ganzen Urlaub den Namen „Zick-Zack“ gefallen lassen, doch nach kurzer Zeit hatten wir den Dreh raus und kamen schon am ersten Tag Richtung Norden gut voran.
Wir einigten uns auf den Plan, die sieben Tage als Rundtour bis nach Töcksfors im Norden, und auf der anderen Seite des Foxen wieder zurück, zu planen. Nach knapp 3 Stunden und 10 Kilometern auf dem Wasser fanden wir nahe des DANO 19 eine kleine Sandbucht, wo wir unser Lager wild und ohne Feuerstelle für die erste Nacht aufschlugen. Während Matthias, Nico und Marcel unter freiem Himmel in ihren Hängematten schliefen, genoss Pascal seinen Ausblick aus dem Zelt vom kleinen Strand direkt auf die untergehende Sonne. Es blieb noch etwas Zeit für das Angeln, doch am ersten Tag brauchten wir alle viel Zeit für den Aufbau der Schlafplätze und um sich einen Überblick über unsere Ausrüstung und das Nahrungspaket zu verschaffen. Mit etwas Mosquito-Spray ließen sich auch die Stechmücken gut aushalten, für die Nacht waren wir in unseren Hängematten mit integrierten Mosquitonetzen ohnehin geschützt. Nach dem ersten Outdoorfrühstück am Morgen packten wir unsere Kanus und steuerten die DANOs im Norden von Fagelvik an. Nach circa 10 Kilometern fanden wir jedoch ausschließlich besetzte DANOs vor, weshalb wir uns zu einer Gruppe am DANO 23 gesellten. Vom Paddeln spürten wir wider Erwarten weniger unsere Arme als unsere Hintern, weshalb wir fortan unsere Sitzunterlagen im Kanu benutzten. Während sich Matthias schnell als Chefkoch der Gruppe herausstellte, der uns mit Pizza vom Feuer und anderen Leckereien verwöhnte, blieben wir anderen bei der Nahrungsbeschaffung mit der Angel erfolglos. Als wir obendrein einem Vater mit seinem Jungen begegneten, der uns erzählte, er könne „jetzt wirklich keinen Hecht mehr“ auf seinem Teller sehen, waren wir gedemütigt und neu motiviert zugleich. Nach den ersten Versuchen, ein Feuer lediglich mit einem Feuerstahl zu starten, konnte nach tollen Unterhaltungen mit den fremden Kanuten und einem leckeren Essen der Abend mit seegekühltem Wein und Gitarrenmusik von Marcel genossen werden.
Da uns das zuvor besetzte DANO 22 beim Vorbeifahren so gut gefallen hat, entschlossen wir uns, den nächsten Tag nach sehr früh und nach nur kurzer Paddelstrecke mit mehr Zeit im frei gewordenen DANO 22 zu verbringen. So konnte Matthias sich wieder als Koch verkünsteln, Nico verbrachte den Tag (mal wieder erfolgslos) an der Angel, Pascal fand seine Stärken im Feuerholz machen und Sonnenbaden und Marcel versuchte seinen gebrochenen Plastiklöffel durch einen selbst geschnitzten Holzlöffel zu ersetzen, in dem er die Mulde mit einem Stück Glut in das Holz einbrannte, was nach einigen Versuchen auch glückte. Es deutete sich an Tag 3 also schon eine gewisse Arbeitsteilung an, die in den nächsten Tagen noch deutlicher wurde, was das Navigieren, Lager bauen, Feuerholz beschaffen, Feuer machen, Kochen, Abwaschen & Wasser holen betrifft. In diesen Tagen wurde uns klar, dass man in diesem Schwedenabenteuer den ganzen Tag eigentlich nur damit beschäftigt ist, seine Grundbedürfnisse zu decken – was den geistigen Erholungswert dieses Urlaubs wahrscheinlich umso größer macht. Körperlich gleicht der Urlaub mehr einem Abenteuer als einem Urlaub, aber durch das tägliche Nacktbaden im See, angemessener Körperhygiene und einigermaßen bequemen Schlafplätzen fühlten wir uns den ganzen Urlaub auch körperlich wohl.
Im Gegensatz zu unserem eigentlichen Plan, die Schleuse bei Töcksfors Richtung Norden zu passieren, änderten wir unsere Reiseroute aufgrund von angekündigtem Wind und Wetter, und paddelten unseren Hinweg zurück nach Süden, um in dem Arm nahe von Vikenäset Schutz vor dem Wind zu suchen. Rund 15 Kilometer fuhren wir an diesem Tag bei starkem Gegenwind und Wellengang auf dem Foxen in die Nähe des DANO 16. Nach dieser vierten Nacht ging es nun in den Arm hinein bis zum DANO 40, wo wir nach starkem Gegenwind auf einem offenen Lagerplatz unser Lager aufschlugen. Diese Entscheidung stellte sich als Fehler heraus, da der Wind aus Norden immer weiter zunahm, sodass ein Feuer unmöglich war. Der Wind wurde nun so stark, dass wir unser Lager leicht in den Wald hinein verlegen mussten, weil das Kochen auf dem Spiritusbrenner sonst unmöglich gewesen wäre. Durch den Wind wurde es so kalt, dass wir alle unsere wärmenden Schichten tragen mussten. Zum Glück blieb es nach kurzem Nieseln wenigstens einigermaßen trocken. In diesem Moment wurde uns erstmals klar, dass unser Motto, das wir bei jeder Gelegenheit als lustigen Spruch in die Runde warfen, plötzlich gar nicht mehr so ironisch war. Spätestens als die ersten Bäume auf der anderen Flussseite entwurzelt wurden und mit einem lauten Krachen umstürzten, war uns klar, dass die Lage ernst wurde. Da unsere Tarps im starken Wind hin und her schlugen, war die Nacht sehr unruhig.
Deshalb entschlossen wir uns, früh aufzustehen und uns trotz Warnung von Scandtrack, nicht weiter zu paddeln, ein neues Lager zu suchen. Im gegenwärtigen Lager war es unmöglich, noch länger zu bleiben, da uns der Wind förmlich sandstrahlte und der Spiritus schon beinahe leer war, sodass wir ein Feuer zum Kochen brauchten. Das DANO 40 ist eigentlich besonders schön, aber es war durch die Lage am nördlichen Zipfel einer Bucht bei diesem Nordwind schlichtweg unbewohnbar. Also suchten wir bei den DANOs 37, 38 und 36 Zuflucht, doch der Sturm war dort nicht besser. Es blieb uns also nichts übrig, als wieder eine Kehrtwende Richtung Süden zu machen.
Nahe unseres vorherigen Lagerplatzes fanden wir im DANO 41 dann einen windgeschützten Platz, wo wir uns gemeinsam mit anderen Nordreisenden nach einem stürmischen Tag wieder entspannen konnten. Bei Lagerfeuer, gemeinsamer Jam-Session mit einem fremden Gitarristen, leckerem Essen und viel Wein genossen wir unsere sechste Nacht in der Wildnis Schwedens. Unsere Hängematten nutzten wir gelegentlich auch als Boden-Setup, das bedeutet wir lagen auf unseren Isomatten auf dem Boden, schliefen aber im aufgespannten Mosquito-Netz vor den Blutsaugern geschützt. Neben einem Geschirrhalter hatten wir uns mittlerweile an vielen Bushcraft-Projekten vergnügt, wie einem kleinen Dreibein-Hocker, einem großen Kochlöffel, einer Garderobe mit Haken oder schlichten Zeltheringen aus Holz. So erfolgreich das Schnitzen und Basteln war, so erfolglos blieben wir weiterhin an der Angel.
Nach einem langen Abend am Feuer, dem Ausschlafen am Morgen und einem ausgiebigen Frühstück starteten wir unseren letzten vollen Tag in Richtung DANO 13, wo wir die Zeit für Schnitzereien als Mitbringsel für unsere Liebsten zu Hause verbrachten. Nach den stürmischen Vortagen genossen wir an diesem Abend das abgeklungene Wetter und den atemberaubenden Sonnenuntergang, wie man ihn sich im malerischen Schweden vorstellt.
Nach der letzten Nacht unter freiem Himmel steuerten wir gegen Mittag das Scandtrack-Basiscamp in Lennartsfors an. Nach dem Abgeben unserer Ausrüstung blieb noch genug Zeit für eine Runde Volleyball, ein Vesper und Kaffee, und vor allem eine warme Dusche. Bei dieser Dusche bekam der Begriff „Luxus“ für uns eine völlig neue Bedeutung.
Auch wenn wir uns zwischendurch etwas schöneres Wetter gewünscht hätten, so fanden wir im Nachhinein das abenteuerliche Wetter doch sehr passend für einen Trip in die Wildnis. Auch wenn wir alle in unserer Freizeit dem „Bushcraften“ unterschiedlich viel Begeisterung entgegenbringen, so haben die 7 Tage in der Natur Schwedens dennoch eine Freude in jedem von uns geweckt, die wir nicht vergessen werden. Dass sich unser Motto „Leben in der Lage“ ein wenig verwirklicht hat, macht uns umso mehr Lust darauf, im kommenden Jahr wieder die Kanus zu packen! Bis dahin… sollten wir vielleicht nochmal das Angeln üben.
Schweden 2022: Leben in der Lage, wir kommen!

Marcel Maier (Autor Reisebericht, im Video erkennbar u.A. als Gitarrist)
Matthias Leschke (im Video erkennbar als Koch)
Nico Christen (im Video erkennbar als Wasserfiltrierer und erfolgloser Angler)
Pascal Maier (Videodokumentation Reisevideo, im Video erkennbar als Drohnenpilot & Holzspalter)

Geschrieben im Oktober 2021, Marcel M.

Video zur Reise