Oh Schweden - Eine Reisebeschreibung Nordmarken

Ich erwache in einem Zelt.

Ich realisiere, dass dieses für die nächsten Tage unsere schützende Hülle sein wird. Diese Behausung scheint bereit dafür zu sein, sich mit seiner waldgrünen Farbe zwischen den Birken und Kiefern Schwedens einzureihen.
Als ich aus dem Zelt steige, sehe ich, wie die Morgensonne sich mit linienförmigen Lichtstrahlen einen Platz zwischen den Bäumen erkämpft hat. Eine wohltuende Frische macht sich auf meiner Haut spürbar und ich bin die Erste, die auf den Beinen zu sein scheint. Und jetzt höre ich, dass ich nichts höre. Alles schweigt…Stille, die viel Raum lässt für mich und meine Freunde. Während meine FreundInnen erwachen, gehe ich einige Schritte tiefer in den Wald hinein. Ein Spinnennetz springt mir ins Auge. Ein glitzerndes und mit Wasserperlen besetztes Schmuckstück, denke ich. Hier und da stehen kleine Pilze, dort ein Baumstumpf, auf dem ein Eichhörnchen einige Zapfen ohne Schuppen zurückgelassen hatte.

An diesem Morgen gibt es Seewasserkaffee, Kältevergehtee und Frühstück aus einer blauen Tonne. Bereit, dieses Abenteuer gemeinsam zu bestreiten, setzen wir unsere mit allerlei Utensilien und Fernweh beladenen Kanus ins wellige Wasser. So rudern wir in unseren drei Nussschalen, jede/r in seinem eigenen Tempo. Zeit für Gespräche und Geplänkel, für Rudern und Bäume am Ufer zählen. Ab und an beehrt uns eine Ente, die mich beim Vorbeifliegen mit dem Klang ihres Flügelschlags beglückt. Manches Mal lassen wir uns vom Rückenwind über die Seen wehen. Manchmal rudern wir durch eine zähe klebrige Masse, die uns das Vorankommen nicht ganz einfach macht. Auf dieser Reise fahren wir einen Rundweg in Nordmarken. Immer wieder müssen wir an Land anlegen und unsere Kanus auf einen Kanuwagen zum nächsten Einstieg karren. Es geht über geteerte Landstraßen und bewurzelte Waldwege. Dort verwandeln sich unsere Kanus in störrische Esel, die sich am vorderen Strick eng gehalten aber etwas bändigen lassen.

Wir entdecken eine Insel, die in der Abendsonne Heimeligkeit und Abenteuer verspricht. Ungläubig, dass wir die einzigen hier sind, binden wir eilig unsere Kanus an junge Bäume. Wie graue Elefanten liegen unsere Kanus nun an Ufer und zwischen ihnen schwappt das Wasser an die noch warmen Felsen.
Hier fühlen wir uns wohl. Wir springen ins Wasser, danach suchen wir unsere Körper hingebungsvoll nach Zecken ab. Wir lehnen uns aneinander an, erzählen uns Geschichten. Einige fahren eine Steinwurflänge hinaus auf den See, um geduldig darauf zu warten, dass ein Abendhappen an der Angel zappelt.
In den darauffolgenden zeitlosen Tagen soll die Sonne uns Begleiterin und Orientierungsgeberin sein. Wir gehen immer wieder tiefer in den Wald hinein. Bereit, uns von der intakten Natur überraschen zu lassen. Ich bin beseelt von den giftgrünen Moosteppichen, auf denen wir wie in dicken Kissen mit den Füssen einsinken. Große grüne eingewebte Felsen liegen vor mir, als müssten sie nur ihr grünes Kleid abwerfen, um sich alsbald in mächtige Trolle zu verwandeln. An anderen Felsen finde ich Pfifferlinge, die sich zwischen den Felsspelten einen Weg ans Tageslicht gebahnt haben. Voller Vorfreude auf dieses Festmahl legen wir sie in den Hexenkessel, der vom Feuer schon ganz berußt ist. Einige gelbe Birkenbaumblätter liegen im Moos. Sie ziehen unseren Blick auf sich und täuschen uns vor, Pfifferlinge zu sein. Davon werden unsere Augen müde und wir kehren ins Camp zurück. An diesem Abend und in den nächsten Tagen bereiten wir allerlei gute Speisen über den tanzenden Flammen zu. Es gibt Kartoffeln mit Pfifferlingen aus einer großen gusseisernen Pfanne, lila Blaubeerpfannkuchen und Zwiebelsuppe -dazu Fladenbrot mit einer rauchigen Note.

Als wir unsere Kanus am nächsten Tag ins Wasser setzen, spüre ich, wie gerne ich auf dem Wasser bin. Ich mag es, raschelnd durch das Wassergras zu gleiten, dass am Ufer des Sees wächst. Seerosen schmücken die Wasseroberfläche. Gerade ist das Wasser so ruhig, dass feine Wasserperlen auf der Wasseroberfläche tanzen, wenn man das Ruder in den See taucht. Während der Fahrt zu unserem nächsten Ziel denke ich darüber nach, wie nährend es doch ist, mit der Natur zu leben. Hier auf unserer Schwedenreise geht es um etwas Wesentliches, das wir von Natur aus in uns tragen. Jede/r erledigt als Teil unserer Gruppe Aufgaben, die er/sie gerne macht. Wir entdecken in diesen Tagen jenseits der Zivilisation unsere Grundbedürfnisse wieder. Ich merke, wie diese im Alltag unserer modernen Welt völlig untergehen. Hier ist es ursprünglich, ungefiltert und körperlich. Jeden Tag aufs Neue schleppen wir unser Gepäck aus den Kanus in unsere Naturwohnzimmer. Wir suchen neue Schlafplätze, schieben Äste und Zapfen zur Seite, um uns Nester zu bauen. Wir sammeln Essbares, wir sammeln und hacken Holz. Wir entfachen Feuer, die uns gleichzeitig Wärme und Nahrung bieten. Ich genieße wertvolle kleine Daseinsmomente in der Hängematte und merke, dass ich dankbar bin für meine Freunde und für diese Momente...

Ich erwache in meinem Bett.

Geschrieben im September 2022, Katrin F.

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