Weite Freiheit jenseits der Realität

Weite Freiheit jenseits der Realität – Kanutour auf eigene Faust durch Schweden

Beharrlich trommelte der Regen auf unser Zelt. Ansonsten war es still. Nur der Wind zog über die kleine Insel Bärön, ließ die Wände unseres Zeltes einen schnellen Tanz vollführen. Die Luft schmeckte nach Spätsommer und Abenteuer, aber zurück auf Anfang:

Es war 21.52 Uhr. Schwer bepackt mit Rucksack, Luftmatratze und Strohhut standen wir am ZOB in Hamburg. Endlich ging es los gen Lennartsfors in Schweden – seit Wochen schon hatten mein Freund Jan und ich diesen Tag herbeigesehnt. Jetzt war es endlich soweit: der idyllische Urlaub inmitten vom Nirgendwo konnte kommen. Um die zwölf Stunden Busfahrt standen uns bevor, doch da wir über Nacht fuhren, verging die Zeit wie im Flug. Als wir dann in Schweden ankamen, waren alle Strapazen vergessen. Das Scandtrack-Team war sehr nett und unglaublich gut organisiert; nach nur kurzem Aufenthalt im Basiscamp, mit einem Snack in der Hand, um die Wartezeit zu überbrücken, konnten wir unsere Ausrüstung entgegennehmen. Kurze Einweisung, wie man sich auf dem Wasser zu verhalten hatte, dann ging es los. Auch unsere Sorge, es wäre vorbei mit der Idylle, nachdem neben unserem noch drei weitere Reisebusse angekommen waren, erklärte sich alsbald als unbegründet. Kaum auf dem Wasser, waren wir eingehüllt in behagliche Stille. Nur die seichten Wellen schwappten gegen den Bug unseres Kanus. Herzlich willkommen abseits der Wirklichkeit!

Verlegen schob die Sonne sich zwischen den Wolken hervor, tauchte alles um sich herum in einen blassen, goldenen Schimmer. Das war es, was wir uns erwartet hatten. Dieser Zauber, der alles andere nichtig erscheinen ließ – keine Verpflichtungen, keine Deadlines, nichts. Gemächlich glitt unser Kanu durch den Lake Foxen. Wir hatten keine Eile und auch kein Ziel vor Augen – wir wollten einfach nur einen schönen Schlafplatz finden, am Feuer sitzen und in die Sterne gucken; denn für unsere erste Nacht war ein weiteres Naturspektakel vorausgesagt worden: Bis zu 100 Sternschnuppen die Stunde würden wie ein Silvesterfeuerwerk am Himmel erleuchten.
Wenig später wurden wir fündig. Nicht weit entfernt vom Basiscamp fanden wir einen geschützten Schlafplatz mit Blick auf eine kleine Insel, erster Stopp: Skomsnäs.
Wir bauten unser Zelt auf, schleppten unsere riesige Proviant-Tonne, unsere Packsäcke sowie weiteres Hab und Gut zu unserem Campingplatz. Während mein Freund sich auf die Suche nach trockenem Feuerholz begab, machte ich mich an unserem Kocher zu schaffen. Mit der riesigen Auswahl an Proviant war es gar nicht so einfach, sich auf eine Sache festzulegen – zumal unsere Mägen bereits jetzt laut um die Wette grummelten. Kartoffeln, Reis, Nudeln, Gemüse? Gar nicht so einfach... Im Endeffekt entschieden wir uns für Nudeln mit einer Soße aus angeschmorten Zwiebeln und frischen Tomaten – aber was wir auch gegessen hätten – bei der Aussicht schmeckte alles gleich doppelt so gut. Während wir unsere Nudeln löffelten, sahen wir der orange-leuchtenden Sonne dabei zu, wie sie mit einem leisen Plopp hinter den weit in den Himmel ragenden Bäumen verschwand. Zum ersten Mal realisierten wir, dass wir wirklich und wahrhaftig angekommen waren – und, dass es nur noch uns und die Weite der Seen mit ihren kleinen Inseln und langen Ufern um uns herum gab. So fühlte sich Freiheit an, mit Kurs in Richtung Abenteuer.

Am nächsten Morgen war es nicht das schrille Klingeln unseres Weckers, dass uns aus dem Schlaf riss, es war das fröhliche Zwitschern uns unbekannter Vögel, das hungrige Kreischen der Möwen und das sanfte Rauschen der Wellen. Wir kletterten aus dem Zelt und machten uns daran, unseren allmorgendlichen Kaffee zu kochen, den wir dank des umfangreichen Verpflegungspakets auch hier nicht missen mussten. Mit unseren dampfenden Bechern zur Hand, kletterten wir auf einen hohen Felsen. Unseren Kaffee mit einem besonders eindrucksvollen Ausblick zu genießen, wurde während unserer siebentägigen Reise zu unserem allmorgendlichen Ritual, eines meiner persönlichen Highlights der Tour.

Auch an diesem Morgen verspürten wir keine Eile. Nach einem ausgiebigen Frühstück aus Früchten, Brot, Käse und Müsli zog mein Freund mit seiner Angel von dannen. Ich schnappte mir ein Buch und machte mich auf Entdeckungstour. Ziel war es, einen besonders schönen Platz zum Lesen zu finden, doch das stellte sich als schwieriger heraus, als angenommen – denn jeder Ort bot andere Vorzüge. Schließlich landete ich bei Jan, machte es mir auf den Felsen bequem und vertiefte mich in mein Buch. Wenn auch geduldig, so blieb der Erfolg beim Angeln leider aus, aber wir hatten ja noch sechs Tage vor uns.

Am frühen Mittag packten wir unser Kanu und machten uns an die Weiterfahrt. Zwar hatten wir die Karte ausgiebig studiert, auch um ausfindig zu machen, wo genau wir uns befanden, ein klares Ziel vor Augen aber hatten wir nicht. Unsere Devise war: Alles kann, nichts muss. Und obwohl wir beide recht unerfahrene Kanufahrer waren, glitt unser Boot schnell und zuverlässig durch den See.

Auch am zweiten Abend fanden wir ein idyllisches Plätzchen mit wunderschönem Ausblick gen Westen. Nachdem das Zelt aufgebaut war, machten wir uns auf eine kleine Wanderung im Schatten der schwedischen Kiefern. Kletteraffin wie wir waren, standen wir schon bald auf dem höchsten Fels, verzückt von dem unbeschreiblich schönen Ausblick. Ein prächtiges Farbspiel aus Rot- bis hin zu Goldtönen bot sich uns. Jan reichte mir eine Flasche Bier und wir machten es uns bequem. So simpel die Momente auch waren, es sind Momente, die wir ewig in Erinnerung behalten werden.
Als der Himmel begann, sich dunkel zu färben, beschlossen wir, noch einmal ins kalte Nass zu hüpfen. Ich tauchte meinen großen Zeh in den See, der bei Dunkelheit aussah, wie schwarzer, flüssiger Teer. Brrr...das Wasser war eisig. Doch ein Zurück gab es jetzt nicht mehr. Wir zählten bis drei und tauchten unter. Mir stockte der Atem, so kalt war es, im gleichen Moment aber auch schön. Kurz alberten wir herum, schlangen aber schon wenig später die Handtücher um unsere bibbernden Körper. So musste sich das Leben anfühlen.

Die Tage gingen nahtlos ineinander über. Viel zu schnell verging die Zeit, trotz des Nichtstuns, oder vielleicht auch gerade deshalb. Wir fuhren mit unserem Kanu zwischen den Inseln und Campingplätzen hin und her, mal fünf Kilometer an einem Tag, mal um die 27 Kilometer. Das schöne aber war: wir taten, wie es uns beliebte.

Erst an unserem letzten Abend wurden wir daran erinnert, dass wir nicht die einzigen Menschen weit und breit waren. Denn die Idee, einen Campingplatz nahe des Basiscamps zu suchen, hatten auch andere Reisende gehabt – so suchten wir an unserem letzten Abend ein wenig länger, um ein idyllisches Plätzchen abseits vom Schuss zu finden. Routiniert bauten wir unser Zelt ein letztes Mal auf.
Und als die Sonne langsam in Richtung Westen verschwand, wurden wir fast ein wenig melancholisch. Freuten wir uns auch auf unser warmes Bett im eigenen Heim – die Weite der Natur, die frische Luft, die ungeheure Stille und vor allem auch die Schönheit Schwedens würden wir vermissen. Wiederkommen würden wir auf jeden Fall, das Abenteuer Schweden hatte uns fest gepackt.

Am nächsten Morgen trudelten alle Teilnehmer nach und nach wieder im Basiscamp von Scandtrack ein, es war ungewohnt laut und voll nach dieser kleinen Auszeit vom Leben, aber auch das gehörte dazu. Wie bei der Ankunft auch, funktionierte die Abgabe der Ausrüstung reibungslos und wir konnten schon wenig später unsere Geschichten und Abenteuer mit anderen Teilnehmern teilen. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen und der Tag klang ohne jegliche Hetze oder Stress aus.

Jan und ich waren uns einig – die von Scandtrack organisierte „Kanutour auf eigene Faust“ war eine wertvolle und wunderschöne Erfahrung für den kleinen Geldbeutel und auch für nicht erfahrene Outdoor-Liebhaber definitiv eine Reise wert. Für nur 440 Euro im Gesamtpaket hatten wir neun tolle Tage verlebt. Ein kleines Abenteuer weit weg von unserem stressigen Alltag. Ein kleiner Ausflug ins schwedische Paradies. So schwer uns der Abschied auch fällt – wir kommen wieder!

Geschrieben im September 2017, Josephine A.

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