Leave your Comfort zone

Unsere Reise beginnt am Dortmunder Hauptbahnhof. Vier Freunde, voller Erwartung und Vorfreude, die einen drei vollgepackt bis unters Kinn, der andere kommt lediglich mit einem Rucksack und Isomatte aus. Sie warten auf den Bus der sie nach Schweden bringen soll. Bis dahin tauscht man sich über Sachen aus die man mitgenommen hat. Oder auch nicht mitgenommen hat. Wirklich auch an alles gedacht? Hauptsache irgendwas gegen Mücken dabei, Unterhosen sind nicht so wichtig.
Es kommen Leute dazu die ebenfalls viel Gepäck dabeihaben und man kommt auch mit diesen ins Gespräch. Es herrscht eine Stimmung des Aufbruchs und leichter Aufregung und als endlich der Bus kommt, ist es soweit – es geht los. Auf Wiedersehen Beton, Alltag und jeglicher technologische Komfort der Menschheit westlicher Zivilisation. Raus aus dem Raumschiff, rein in den Urwald. Der Vergleich hadert ein wenig, aber in etwa beschreibt es das Gefühl der Vorfreude.
Die Busfahrt ist, wie jeder schon vermuten kann, der Teil der Reise der am wenigsten Spaß macht, aber umso schöner ist das Gefühl, wenn man ankommt. Was in dem Fall ein schöner, sonniger Morgen in Schweden ist an dem man herzlich von einer Scandtrack-Dame in Rot begrüßt wird. Das Empfangsteam vor Ort ist sehr gut organisiert, es werden die nächsten Schritte besprochen, wer möchte kann anschließend eine Kleinigkeit essen, es wird sich ausgeruht und schließlich geht es weiter zur letzten Einweisung in die Kanu-Tour und der Ausgabe von Verpflegung. Bei vielen ist die Stimmung und Kondition durch die lange Busreise trotz Snack bescheiden ausgefallen, ein Versuch einer Mitarbeiterin die Menge mit dem Schlachtruf „Und jetzt haben alle gute Stimmung“ ein wenig aufzupäppeln, wird allgemein mit Stirnrunzeln entgegengenommen - man hört hier und da ein mürrisches Murmeln. Es ist mittlerweile ziemlich heiß geworden, das Wetter ist traumhaft und wir können es kaum erwarten endlich die Kanus zu beladen und los zu paddeln, kaputt von der Busfahrt hin oder her, Hauptsache los. Und wenn man dann endlich am Ufer steht, alles in die Kanus verstaut hat und auf die riesige, glitzernde Wasserlandschaft mit den grünen Wänden aus Fichten und Kiefern schaut, macht das Herz kleine Sprünge.
Es ist nicht das erste Mal das wir Kanu fahren, aber das erste Mal das wir schwer beladene Kanus fahren. Die ersten Züge kommen einem sehr wackelig vor, man hat ein wenig Bedenken man könne leicht umkippen, denn wir liegen relativ tief im Wasser. Bedenken die sich auf der ganzen Tour kein einziges mal bewahrheiteten. Genauso wenig gibt es Mücken. Beziehungsweise, wenn es sie gibt nicht zu der Zeit und der Absicht einen zu stechen, fast schon enttäuschend bei den ganzen Anti-Mücken-Kampfmittel-Sprays die wir dabeihaben.
Unsere Route hat kein bestimmtes Ziel, wir paddeln einfach drauf los und haben uns nur für eine Richtung entschieden, wo wir halten, was wir ansteuern, ob wir uns einfach treiben lassen oder dümpeln - es wird nach Lust und Laune in den Tag hinein entschieden. Und da beginnt der eigentliche Urlaub, denn wir halten es einfach und unkompliziert, machen das worauf wir Lust haben. Wir gehen schwimmen, springen von klippen, kochen, versuchen mit Stock und Bogen Feuer zu machen, schlafen in Hängematten, genießen die unglaubliche Stille auf den Seen, spielen Baseball, schießen mit Pfeil und Bogen, springen von noch höheren Klippen, bauen einen eigenen Steinofen für Pizza, angeln, wandern durch Wälder und sitzen abends am Lagerfeuer und braten unsere nicht gefangen Fische. Allgemein trifft man trotz Hauptsaison nicht auf allzu viele Menschen, hier und da ein paar Paddler, aber man hat seine Ruhe. Ich persönlich hatte sogar eine interessante Unterhaltung mit einem alten Einheimischen Herrn, die darauf beruht bei einem Toilettengang im Wald um Haares breite unangenehm überrascht zu werden. Glücklicher Weise kam ich erst zu dem Gespräch und dann zu dem Geschäft. Der Mann erzählte mir das es noch nie Probleme mit Paddlern und Einheimischen gab und das er gut mit ihnen klarkommt und auch das es keine Verschmutzungs-Probleme oder sonstiges gibt. Auch erklärte er das die Tiefe der Seen bis zu einhundert Meter betragen kann, was das Schleppen einer Angelroute, wie wir es bis dato gemacht hatten, sinnlos machte.
Für jeden der angeln möchte und dabei Interesse hat einen Fisch zu fangen rate ich in der Nähe von Schilfen oder Buchten zu angeln, ansonsten fällte die Beute sehr gering aus.
Wer nichts fängt braucht keine Sorge zu haben zu verhungern, die Nahrungstonnen von Scandtrack reichen bei Weitem aus. Das gleiche gilt für das Wasser auf dem man paddelt, das kann man bedenkenlos und ohne irgendwelche Nebeneffekte trinken und reicht ebenfalls bei Weitem aus.
Insgesamt ging unsere Tour zehn Tage und wir hatten das Glück das es kein einziges Mal regnete und wir durchgehend Sonne und nur vereinzelt ein paar dunkele Wolken hatten.
Der letzte Tag der Reise ist von der Abfolge wie der erste Tag der Ankunft, nur in anderer Reihenfolge und dem bedrückenden Gefühl das man die Heimreise antritt. Auch hier funktionierte die Organisation seitens Scandtrack reibungslos und schnell.
Für meine Freunde und mich waren die zehn Tage auf alle Fälle Erholung, Spaß und Natur pur, also genau das was wir uns erhofft hatten und ich kann jedem nur empfehlen ebenfalls eine solche Tour machen.
Das Gefühl sich der Natur wohlzufühlen liegt evolutionär betrachtet auch noch nicht so lange zurück, bedenkt man das die Menschheit den größten Teil im Freien verbracht hat. Auf Kleidung zu verzichten ist wieder was anderes, jedenfalls waren für uns die zehn Tage Medizin und es würde jeder der 4 Reisenden immer wieder so eine Tour antreten.

https://vimeo.com/236276049

Geschrieben im Oktober 2017, Pascal O.

Video zur Reise