In 30 Jahren haben unzählige unserer Gäste Ihre Kanureise in spannenden Reiseberichten festgehalten. Schau, was sie in Schweden für spannende Abenteuer mit scandtrack erlebt haben und lass dich inspirieren!
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In 30 Jahren haben unzählige unserer Gäste Ihre Kanureise in spannenden Reiseberichten festgehalten. Schau, was sie in Schweden für spannende Abenteuer mit scandtrack erlebt haben und lass dich inspirieren!
Wir erhielten unser gebuchtes "Light"-Paket, welches im Wesentlichen aus zwei Kanus und zwei geräumigen, wasserdichten Containern bestand. Einer davon war leer und wartete auf unser Gepäck, der andere war bereits mit nützlichen Utensilien wie einem Spaten, Müllsäcken und Klopapier gefüllt. Anschließend begann das große Umpacken. Unsere Wechselkleidung für die Rückreise und alles, was definitiv nicht nass werden durfte und nicht unmittelbar gebraucht wurde, wanderte in den ersten Container. Der zweite wurde zu unserer mobilen Speisekammer, gefüllt mit Proviant wie Trockenmilch- und Volleipulver, Mehl, Spaghetti mit Tomatensauce, diversen Tütengerichten, Speck, Beef Jerky, Energieriegeln, Knäckebrot, Marmelade, Ghee, Gänsefett, Kaffee und verschiedenen Tütensuppen. Parallel dazu bereiteten wir unsere beiden Angeln vor, für die wir zusätzlich Angelkarten gebucht hatten. Die Stahlvorfächer wurden montiert und die Köderboxen griffbereit verstaut – wir waren bereit.
Mit einem kurzen Zwischenstopp zum Rehydrieren, für die Körperhygiene und einen kleinen Snack erreichten wir knapp vier Stunden nach Abfahrt das anvisierte Ziel – und zu unserem Glück war dieses noch nicht von anderen Gruppen besetzt, im Gegensatz zu fast allen anderen Dano-Rastplätzen, die wir auf dem Weg gesehen hatten.
Thore, der andere mit Angelkarte, schloss sich mir an, während Michael indes die bereits vorhandene Feuerstelle aufbereitete, die augenscheinlich schon von vielen anderen Gruppen genutzt, aber aufgrund der vielen lose aufeinander gestapelten Steine individuell umgebaut werden konnte. Nach knapp zwei Stunden erfolglosen Abklapperns von Schilf- und Seerosengebieten mit dem Kanu und dem ständigen Wechsel der Köder von Gummifisch auf Blinker/Spinner und zurück machte ich meinen ersten Fang dieser Reise: einen stolzen, ca. 60 cm großen Hecht (messen konnten wir ihn nicht, da wir kein Maßband dabei hatten). Thore holte ihn mit dem Kescher ein und erlöste ihn unmittelbar und waidgerecht von seinem Kampf. Dieser Moment war für mich in zweierlei Hinsicht bedeutend: Zum einen hatte ich die Erkenntnis "Ja, hier kann man Fische fangen und die Woche überstehen", zum anderen war es der erste Fisch, den ich seit 25 Jahren geangelt habe (ich bin 39). "Okay, es klappt noch, es ist tatsächlich Muscle Memory. Vertraue darauf." Thore zog noch einen mittelgroßen Barsch heraus, und wir fuhren mit anbrechender Dunkelheit zurück in unser Lager, wo wir bereits mit dem ersten Feuer in Empfang genommen wurden. Wir nahmen die beiden Fische aus, entschuppten und filetierten sie, und aus ihren Resten kochten wir eine köstliche Fischsuppe. Alle drei wurden satt und wir gingen, so wie von nun an jeden Abend, um kurz nach Mitternacht ins Bett.
Am Morgen folgte bereits eine etablierte Routine vergangener Trips: Der Erste, der aufsteht, macht Wasser für Kaffee oder heiße Schokolade heiß. Da morgens durch den Tau meist das ganze Holz und die Zweige sehr feucht sind, greifen wir zu dieser heiligen Zeit aus Bequemlichkeit auf den verlässlichen Gaskocher zurück. Trotzdem ist es unser Gebot, ansonsten Feuer nur mit natürlichen, uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu machen – das heißt, Birkenrinde und Bartflechte als Zunder und kleinere Zweige bzw. gespaltenes Totholz als Feuergrundlage. Das Ganze natürlich gezündet mit einem Feuerstahl, einfach um ein bisschen Übung für Notfallsituationen zu haben.
Die Tagesroutine des bevorstehenden ersten Tages sollte sich im Wesentlichen ums Angeln und Verfeinern des Camps drehen. Gegen Mittag – nach ca. drei Stunden erfolglosen, stumpfen Auswerfens und Einholens der Angel von einer nahegelegenen Landzunge – biss plötzlich ein kleinerer, knapp 50 cm großer Hecht. Und ich war extrem erleichtert. Das Mittagessen war gesichert. Auch hier verfeinerte Michael weiter seine Filetier-Skills, die er sich zuvor nur per YouTube angeeignet hatte. Eine kleine Anekdote am Rande: Er hatte sich von einem japanischen Messerschärfer beide frisch gekauften Messer auf traditionelle japanische Art (mit Wassersteinen, per Hand) schleifen lassen. Das zahlte sich jetzt aus, denn das Lösen der Filets von den Gräten und auch von der Haut ging einwandfrei.
Gesättigt und zufrieden gab es nun ein kleines Zeitfenster, in dem man persönlichen Dingen nachgehen konnte. Was tun? Schnitzen? Aufräumen? Mit dem Kanu raus und weiter angeln? “Ha, ich weiß es – ich habe doch Mehl mitgenommen. Ich bereite Teig für heute Abend vor.” Also nahm ich 500g des Mehls, ein Päckchen Trockenhefe und einen guten Schuss Salz, um alles zusammen mit Wasser, das ich grob per Augenmaß hinzu gab, zu vermengen (ich schätze, es waren etwa 64.5% Hydration). Ich deckte die Schüssel mit meinem ungetragenen und in Wasser getränkten Ersatz-T-Shirt ab, um der Hefe die Möglichkeit zu geben, ihr Ding zu tun: die gesamte Masse binnen sechs Stunden zu einem fluffigen und geschmackvollen Brotteig zu fermentieren.
Nachmittags fanden wir mit dem Kanu einen kleinen Spot, an dem immer wieder kleine Fischschwärme aufgeschreckt wurden. Unser Bauchgefühl sagte: Hier wird gejagt, hier müssen wir blinkern. Wir behielten recht und zogen zügig drei mittelgroße Barsche heraus, die wir später zum Abendessen entschuppt, mit Haut, am Stock über dem Feuer grillten. Doch nicht nur das. Wir holten den Brotteig und gaben eine kräftige Mischung aus Ghee und Gänsefett in eine Pfanne. Wir formten kleine Fladen, die mehr oder weniger an die neapolitanische Pizzaform erinnerten (flache Mitte mit luftig-dickem Rand). Diese gaben wir dann nach und nach in die Pfanne und ließen sie über dem offenen Feuer zu Pfannenbrot ausbacken. Zusätzlich setzte Michael einen Topf Reis an, den er zusammen mit dem Gewürz einer Tütensuppe geschmacklich anreicherte. Es war ein Schmaus. Wir schnitten die Brote auf wie Döner und füllten sie mit dem warmen Reis und reichlich Barsch-Stücken und riefen dabei lachend: "Ob's bei euch genauso geil ist? I doubt it!" Wir schliefen noch eine weitere Nacht im ersten Camp und bereiteten abends bereits alles für die frühe Abreise am nächsten Morgen vor.
Bevor wir uns zu neuen Ufern aufmachten, wollten wir uns noch stärken. Wir hatten vor lauter Ereignissen völlig vergessen, dass wir Volleipulver in einer Menge dabei hatten, die knapp 40 Eiern entsprach. Das konnte so natürlich nicht bleiben. Also fassten wir den Entschluss, zum Frühstück eine große Runde Rührei mit Speck und Haferschleim zuzubereiten. Alle drei waren geschäftig: Einer schnitt und briet den Speck, der nächste löste das Trockenei im Wasser auf, um es zu braten, und der dritte machte Kaffee und setzte Haferschleim an. Wir sind ein tolles Team. Den Haferschleim süßten wir mit etwas Marmelade und alles zusammen wurde brüderlich und gleichmäßig auf unseren Tellern verteilt. Geschmeckt hat es – wie zu erwarten – wunderbar, und wir waren uns spätestens ab diesem Punkt sicher: Wir “survivaln” hier nicht, wir “glampen”.
Ziemlich hungrig kamen wir also nach etwa drei Stunden ruhiger Fahrt im Idyll und vielen Angel-Unterbrechungen bei bestem Wetter an einer Steilwand an, die bereits eine einbetonierte, feste Feuerstelle mit einer viereckigen Sitzgelegenheit bereithielt. Mein erster Gedanke war: Essen, Feuer, heißes Wasser. Während die anderen also die Kanus entluden, hackte ich Kleinholz und brachte mit meinem Feuerstahl die sorgfältig aufbewahrte Birkenrinde, die ich zuvor beim letzten Lagerplatz eingesammelt hatte, zum Brennen. Zehn Minuten später kochte ca. ein Liter Wasser und ich bettelte bei meinen Freunden um etwas Nahrung. Urgh, ich fühlte mich besiegt. Für jetzt.
Als der erste Hunger gestillt war, konnte ich dieses Juwel, an dem wir angelandet waren, erst einmal wirklich wahrnehmen. Dieser Ort war magisch. Ringsherum nur Natur und Stille. Später bemerkten wir, dass ein Vater und sein ca. 10-jähriger Sohn unweit von uns ebenfalls ein Dano in Beschlag genommen hatten, von wo aus sie posenangelten. Sie waren aber so leise, dass man sie lange Zeit gar nicht mitbekam. Das war toll.
Ich hing meine Hängematte an die letzten Bäume vor den knapp vier Meter hohen Klippen, um morgens die perfekte Aussicht zu genießen; so zumindest die Idee – ein naiver Anfängerfehler, wie sich später noch herausstellen sollte. Wir fuhren wieder mit dem Boot raus, um unser Abendessen zu sichern, und hatten bereits durch die Erfahrung der letzten Tage die Vermutung, dass bis zur Abenddämmerung nichts beißen würde. So war es dann auch, und wir fokussierten uns mehr darauf, während des Angelns möglichst viele Eindrücke dieser atemberaubenden Natur aufzusaugen und auf unserer organischen Festplatte zu verewigen.
Kurz bevor die Sonne unterging – das war in etwa um 19:30 Uhr (denn um 20:15 Uhr sollte sie hinter dem Horizont verschwinden) – wurden wir in unserem Angelvorhaben etwas ernsthafter, auch weil der Magen sich langsam wieder mahnend und ächzend zu Wort meldete. Wir wussten, dass die Fische jetzt besser beißen. Wir fokussierten also verdächtige Buchten mit Schilf und Seerosen, warfen unsere Gummifischköder wieder und wieder aus, bis es plötzlich den ersten Schlag in der Rute gab. Eilig kurbelte ich an der Rolle, die unter dem Widerstand immer wieder mit ihrer Bremse nachgab. Es war ein kurzes Hin und Her, und wir sicherten den ersten Hecht des Abends mit knapp 55 cm per Kescher. Ich verlor keine Zeit, warf denselben Köder direkt wieder aus und – boom – direkt der nächste Biss. Das konnte doch nicht sein. Stellen die Fische ihre Uhr so sorgfältig wie die Deutschen ihre für den Tatort? Ich zog den zweiten Hecht mit etwas kleineren Maßen heraus, löste den Haken und ließ den Köder wie gewohnt neben mir ins Wasser fallen. Plötzlich zog es an meiner Rute, während ich noch dabei war, den Hecht rasch durch einen Herzstich von seinen Leiden zu erlösen. Fast wäre sie ins Wasser gefallen, und ich konnte sie gerade noch packen. Es hing tatsächlich ein weiterer Hecht am Köder, der anscheinend derart hungrig war, dass er selbst auf ein lebloses Fischimitat direkt neben einem geschäftig rumpelnden Kanu biss. Leider schüttelte er sich im selben Moment, als ich die Rute ergriff, mit einem majestätischen Sprung aus dem Wasser und löste so den Haken. Das war verrückt. Wir konnten es kaum glauben. Nach dieser für mich sehr intensiven Sequenz zog Thore noch einen Barsch heraus, bevor die Sonne sich hinter dem Horizont verneigte und das ganze Spektakel so abrupt endete, wie es begonnen hatte. Nichts biss mehr. Nichts bewegte sich mehr im Wasser. Eine halbe Stunde Zeitfenster, in dem die Fische wie angestochen auf alles reagierten, was sich bewegt – oder, wie sich zeigte, auch nicht bewegt.
Stolz ruderten wir zurück in Richtung Camp. Schon von Weitem konnten wir in der Dämmerung Rauch und das Flackern eines gesunden Lagerfeuers in den Baumwipfeln wahrnehmen. Das hatten wir nicht abgesprochen, das war einfach funktionierende Routine. Mich durchzog ein wohliges Gefühl von Geborgenheit, Willkommensein und Heimat. Nachdem wir die Fische zubereitet und gegessen hatten, legten wir uns in unsere Hängematten. Ich an der Klippe, die Jungs ein paar wenige Bäume weiter innen im Wald. Die Nacht kam und mit ihr auch ein Sturm mit Regen. Nachts um eins wurde ich plötzlich wach, während mich von den Klippen abprallende Aufwinde und die mit ihnen getragenen Wassertropfen von unten schüttelten und nass spritzten. Es war kalt. Aber ich bin renitent. Meinen Schlafplatz um 1 Uhr nachts neu aufzubauen, war keine Option. Es würde keine gemütliche Nacht werden, aber ich würde es überleben. Ich dachte in dem Moment an die Worte von SurvivalMattin, "Einfach mal was Schönes machen", und schlief schmunzelnd und kichernd wieder ein.
Am nächsten Morgen wurde ich von Sonnenstrahlen in der Hängematte wachgeküsst – der Moment, der die Strapazen der Nacht rechtfertigte. "Alles richtig gemacht", dachte ich, während ich mir meine zwei Jacken überzog, um die Kälte der Nacht abzuschütteln und Kaffee für alle anzusetzen. Heute war großer Waschtag. Wir hatten bereits Halbzeit, und es war Zeit, die getragene Wäsche einmal zu waschen und sich selbst auch mal mehr zu gönnen als nur die morgendliche Katzenwäsche. "Dr. Bronner" war der Mann der Stunde. Wir nutzten seine Seife für die Körperhygiene und für das Waschen der Wäsche im Waschsack. Da das Wetter optimal zum Baden war, checkten wir eifrig die Tiefe des Wassers vor den Klippen. Nachdem wir festgestellt hatten, dass dort einige Meter Platz bis zum Grund waren, nahm Michael all seinen Mut zusammen und sprang das erste Mal. Und auch ein zweites, drittes, viertes und fünftes Mal, während Thore den Waschsack knetete. Es war toll. Wir hatten wirklich perfektes Wetter und das erste Mal auf dieser Reise einen Moment der kindlichen Sorglosigkeit. Wir wussten, wir schaffen die sieben Tage, und es wird toll.
Kaum hatte ich diesen Gedanken verarbeitet, erfasste eine Böe mein zum Laden an der Klippe aufgestelltes Solarpanel und wehte es die Klippen hinab ins Wasser. Ich hörte nur ein Platschen, vermutlich von dem faustgroßen Stein, den ich eigentlich zum Sichern auf das Panel gelegt hatte, und rannte hin, um nachzusehen, was passiert war. Da war es. Unten bei den Klippen, ein paar Zentimeter unter Wasser. Es gab keine Strömung, die es hätte davontragen können, also überlegte ich, wie ich dorthin kommen würde. Weil ich inzwischen wieder angezogen und aufgewärmt war, wollte ich nicht noch einmal ins Wasser, und an der Stelle war es sowieso nicht sicher hineinzuspringen. Also kam mir ein Geistesblitz, und ich zückte die Angel mit dem bereits befestigten Blinker. Es dauerte nicht lange, und ich hatte das Solarpanel am Haken und konnte es sicher herausziehen. Das Panel zeigte derweil weiterhin fleißig und unermüdlich seine Ladedaten auf dem Digitaldisplay an. Ich war beeindruckt. Warum mein Handy nicht mit ins Wasser gezogen wurde? Tja, manchmal gibt es Dinge, die man sich in dem festen Glauben kauft, sie würden einem iiiiiirgendwann mal nützen. Genau so war es mit meinen Magnet-USB-Steckern. Als das Solarpanel also in den Abgrund geweht wurde, trennte sich die Magnetverbindung zwischen Kabel und Handy und ließ selbiges einfach am Klippenrand liegen. Ich musste jahrelang all das Gelächter ertragen, nur um genau in diesem Moment triumphal emporzusteigen und leise in mich zu flüstern: “Worth it.” Ich ließ das Panel sicherheitshalber noch eine ganze Weile trocknen, bevor ich meine wertvolle Technik wieder daran anschloss. Danach war ich vorsichtiger. Den bewährten Magnet-Mechanismus wollte ich dann doch lieber kein zweites Mal auf die Probe stellen. Und so verweilte mein Handy ungenutzt für den Rest des Abends im Extrem-Sparmodus bei ca. 30 %.
Diese Magie zog mich unweigerlich wieder hinaus. Ich wollte nachtangeln. Doch als ich auf dem spiegelglatten See trieb, fühlte es sich an, als säße ich in einer Schallschutzkammer. Die Welt schien mit Schaumstoffmatten ausgekleidet, jedes Geräusch gedämpft, fast verschluckt. Der helle Mond als einzige Lichtquelle kreierte eine Atmosphäre wie in einem Film Noir. Nachdem ich fünf- oder sechsmal meinen Köder ausgeworfen hatte, hielt ich inne. Jeder Wurf, jedes Platschen im Wasser fühlte sich wie eine Störung dieser heiligen Ruhe an. Ich gab es auf. Stattdessen entfernte ich den Mittelsitz des Kanus und setzte mich direkt auf den kühlen Boden des Bootes. So konnte ich mich fast flach hineinlegen, wie in einen Liegestuhl, und das Firmament einfach nur auf mich wirken lassen. Außer den leisen Gesprächen von Thore und Michael am Ufer hörte ich nichts. Vermutlich waren die Tiere genauso erstaunt über dieses Schauspiel wie ich.
Ruhig treibend ließ ich etwa eine Stunde vergehen. Es war eine Reinigung, eine echte Detox-Kur von all dem digitalen Stress und den Verpflichtungen, den Lasten und Deadlines des Alltags. Vollkommen entspannt und mit mir im Reinen kehrte ich zum Lager zurück. Wir redeten kaum in dieser Nacht; es gab nichts zu sagen, was die Stille nicht besser hätte ausdrücken können. Kurz nach Mitternacht war es Zeit, in die Hängematten zu gleiten und den Tag, vor allem aber diese Nacht, zu verarbeiten.
Nach zwanzig Minuten auf dem Wasser öffnete der Himmel endgültig seine Schleusen und wir zogen uns unsere Regen-Outfits über. Der Plan war, dass Thore und ich eine vielversprechende Bucht zum Angeln ansteuern, während Michael noch einmal zurück zu unserem ersten Camp paddeln wollte, um ein paar Fischhalter zu retten, die er selbst geschnitzt und dort vergessen hatte.
Thore und ich landeten neben der besagten Bucht an. Die selbsternannte "Anlegestelle" bestand aus einem einzigen, riesigen und flachen Felsvorsprung, der aussah, als wäre er einst aus heißer Lava gegossen und erstarrt. Durch den Regen und die darauf wachsenden Moose und Flechten war er rutschiger als eine Schlittschuhbahn – doch wie rutschig wirklich, erfuhren wir erst, als es bereits zu spät war. Ich stieg aus dem Boot, rutschte direkt bis an die Wasserkante zurück, konnte mich aber gerade noch so balancieren. Ich warf einige Meter weiter direkt meine Angel aus und hörte nur ein Fluchen, dicht gefolgt von einem lauten Platscher und einem anschließenden, verzweifelt wimmernden: "Kai, Hilfe...". Ich drehte mich um und sah Thore zwischen dem angelegten Kanu und dem riesigen Stein brusttief im Wasser. Er hielt sich mit einer Hand am Bootsrand und mit der anderen an den glitschigen Steinen fest. Nach dieser unfreiwilligen Taufeinlage musste ich kurz schmunzeln und rief ihm aus der Ferne zu, er könne doch schwimmen, eilte aber im selben Atemzug zu ihm, da ich sah, dass das voll bepackte Boot ebenfalls zu kentern drohte.
Einen kurzen Moment später fanden seine Schuhe jedoch unter Wasser Halt, und er konnte sich langsam aus eigener Kraft aus der Misere ziehen. Er schaute mich völlig entsetzt an, als wäre nun die gesamte Reise mit ihm wortwörtlich ins Wasser gefallen, und ich fing vor lauter Erleichterung an, lauthals zu lachen. Das steckte auch Thore an, und wir lachten gemeinsam über die absurde Situation, als wir uns beide dabei erwischten, wie uns abermals Mattins Worte in den Sinn kamen: "Einfach mal was Schönes machen". Als die Sorgen dann endgültig abgeschüttelt waren, zog Thore seine komplett durchnässte Regenkleidung aus und hing sie zum Abtropfen in das verlassene Camp, welches sich uns dort wie eine unverhoffte Fügung offenbarte. Am Ende des großen Felsvorsprungs befand sich nämlich ein kleines Waldstück mit einer fürstlichen Feuerstelle und gerade so viel Platz, um unsere drei Tarps und Hängematten aufzuhängen. "Die Natur hat entschieden: Wir bleiben heute hier", sagte ich. "Wir müssen nur noch Michael davon überzeugen." Ich fuhr mit der Beschaffung des Mittagessens – dem Fischen – fort, während Thore schnurstracks, routiniert, aber noch etwas nachdenklich über das, was eben passiert war, sein Lager aufbaute.
Noch bevor er sich in seine trockenen Ersatzklamotten werfen konnte, kam Michael zurückgepaddelt. Ich fragte ihn über den See rufend, ob er sich vorstellen könne, warum Thore bei dem Wetter nur in Unterhose herumlaufe. Wie aus der Pistole geschossen erwiderte er: "Das kann nur zwei Gründe haben: Entweder kommt er gleich nackt und schreiend auf mich zu und bewirft mich mit brennenden Tannenzapfen, oder aber er ist ins Wasser gefallen." Es ist wohl nötig, diesen Insider für die Lesenden zu erklären. Als ich am Vortag mit Michael zusammen auf dem Kanu unterwegs war, um unser Mittag- und Abendessen zu angeln, kam uns eine große Gruppe von Kanus entgegen. Es waren bestimmt acht bis zehn Personen. Michael nahm geistesgegenwärtig sein Handy in die Hand und begann zu tippen, stoppte aber sofort wieder gedankenversunken. "Wie schreibe ich ihm das möglichst lustig?", fragte er mich. "Er soll sich wie ein Urmensch an die Felsen stellen und sie verjagen", sagte ich. "Genau, ich schreibe ihm: 'Zieh dich nackt aus und mach die brennenden Tannenzapfen bereit, es kommt eine große Truppe an Kanus auf dich zu'." Wir lachten einige Minuten. Natürlich meinten wir das nicht ernst. Aber einen guten Witz lässt man nicht einfach so ungenutzt liegen.
Als Michael und Thore also ihr Lager aufschlugen, packte ich erneut das Kanu und fuhr zu einer weiteren Bucht in Sichtweite. Ich hatte einen recht großen Gummiköder montiert, um die kleineren Fische von vornherein auszuschließen. Außer ein paar Ästen zeigte aber nichts Interesse. Ich erreichte die Bucht, warf den Köder aus und – fest. Nach nicht einmal zwei Kurbelumdrehungen hatte ich einen Hänger, so massiv, dass sich durch Ziehen und Rütteln nichts tat. Ich paddelte direkt über die Stelle und sah den Köder knapp einen Meter tief an einem dicken Ast verhakt. Selbst mit dem Paddel ließ er sich nicht lösen. Ich war bereits an dem Punkt, den Köder samt Stahlvorfach aufzugeben, gab der Rute aber noch einen letzten, gewaltigen Ruck – mit der Absicht, entweder den Köder zu lösen oder eben die Schnur endgültig reißen zu lassen. Zu meinem Glück löste er sich! Ich warf ihn sofort ein weiteres Mal aus. ZACK! Ein heftiger Schlag in der Rute, die Bremse fing sofort an zu kreischen. Das musste etwas Großes sein. Nach einem gut fünfminütigen Kampf holte ich einen prächtigen, 55 cm großen Hecht mit dem Kescher ein und erlöste ihn. Ich war unendlich dankbar. Das Essen war gesichert und mein Bauchgefühl bestätigt: Ich konnte die Naturgesetze des Foxen mittlerweile ganz gut lesen.
Michael filetierte den letzten Fisch unserer Reise auf den Felsen vor einer Kulisse, die nur schwer in Worte zu fassen ist. Die Regenwolken des Tages brachen zum Sonnenuntergang hin auf, und einzelne Sonnenstrahlen durchstießen sie wie riesige Laser, die einige Wald- und Wasserflächen in gleißendes Licht tauchten. Der Kontrast des grauen Himmels und der Abendröte sah aus, als würde in der Ferne eine große Stadt lichterloh brennen. Währenddessen hatte Michael drei Rotlicht-Taschenlampen und seine Kopflampe um das Schneidebrett drapiert und eine perfekte, fast chirurgische Ausleuchtung für den Hecht geschaffen. Das Filetieren war für ihn zu einem routinierten Handwerk geworden. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Kamera zu zücken und so viele Fotos von der Szenerie zu machen, wie ich konnte.
Wir aßen ein letztes Mal Reis und Fisch. Anschließend packten wir bereits unser Hab und Gut zusammen, um am nächsten Morgen effizient zu sein. Denn es war bereits der Rückreisetag. Etwas bekümmert und traurig legten wir uns in die Hängematten und machten die Augen zu.
Frisch geduscht liefen wir mit unserem Gepäck zur Bus-Sammelstelle, tranken viele Becher Kaffee und Tee und warteten auf das versprochene Mittagessen. Doch nichts geschah. Nach etwa zwei Stunden hungrigen Wartens entschlossen wir uns, zwei unserer übrig gebliebenen Notfall-Instant-Gerichte mit dem Gaskocher zuzubereiten. Die Sonne schien, wir saßen entspannt auf Strandstühlen und warteten auf 19:30 Uhr, den Zeitpunkt der Abfahrt. Die letzte Wartezeit nutzten wir, um bei Michael zwei Zecken an der Wade zu entdecken und sie mit meiner noch völlig jungfräulichen Zeckenkarte zu entfernen.
Dann war es Zeit. Jens und sein Team verabschiedeten uns herzlich und liebevoll mit Trommeln und Chören. Die Busreise begann mit einer Achterbahnfahrt über hügelige Straßen, aber nicht, bevor wir uns das erste Bier der gesamten Reise beim Busfahrer bestellten und zufrieden in unsere Sitze sanken. Wir reflektierten in Stille die Woche, während wir immer wieder an unseren Dosen nippten. Alle hatten ein zufriedenes Grinsen im Gesicht. Wir waren müde, aber an Schlaf war auch diesmal nicht zu denken. Bis nach Malmö und zur wunderschönen Öresund-Brücke um ca. 2 Uhr nachts, tat ich kein Auge zu. Nach einem Fahrerwechsel ging es zügig auf die einzige Fähre dieser Rückfahrt. Die Zeit verging dennoch wie im Flug, wohl aus Übermüdung.
Gefühlt nur wenig später, gegen 6 Uhr morgens, erreichten wir völlig verspannt Lübeck. Wir nahmen direkt den ersten Regionalzug nach Hamburg, um dort die Zeit bis zur Abfahrt unseres ICEs mittags sinnvoller zu nutzen. Wir frühstückten in einem Restaurant nahe dem Bahnhof. Ich aß ein English Breakfast. Es schmeckte fantastisch. Und doch vermisste ich in diesem Moment die ruhigen und minimalistischen Morgen am Wasser, nur mit einem warmen Kaffee in der Hand, manchmal etwas Beef Jerky knabbernd. Es wird wohl einige Zeit dauern, bis ich die Selbstverständlichkeit dieser Überflussgesellschaft wieder so emotionslos akzeptiere. Danke Schweden, dass du mir die Augen geöffnet hast, was wirklich wichtig ist. Dass du mir gezeigt hast, was wir hier in Europa eigentlich haben.