Ein Sommermärchen in Schweden

«Wollt ihr auch nach Schweden?» Mit diesen Worten wurden wir in Frankfurt empfangen. Weil wir von unserem Alltag ziemlich erschöpft waren, stiegen wir in den Reisebus ein, kuschelten uns in die Sitze und genossen es, uns chauffieren zu lassen. Die Reise war lange, aber nicht unangenehm. Um 02.30 Uhr lief im Reisebus das Video zur Sicherheit auf dem Wasser. Mein Freund schaute sich um diese unchristliche Uhrzeit gespannt die Tipps und Tricks an, während ich selig schlief. Herzlichen Dank an dieser Stelle dem Fahrer für diese unvergessliche Nacht. Das nächste Mal schauen wir uns das Video gerne bei Tageslicht an.
Im Outdoorcamp wurden wir herzlich von der Chefin persönlich begrüsst. Den angebotenen Kaffee nahmen wir sehr gerne an und auch über die sanitären Angebote im Camp freuten wir uns ungemein. Anschliessend machten wir uns auf den Weg zu unserem Kanu. Allerdings kamen wir nicht ganz so flüssig voran, weil ich immer wieder Heidelbeeren ernten musste. Was für ein Paradies! Wir packten alles in wasserdichte Säcke und beluden unser Kanu. Auf dem ruhigen, dunklen See paddelten wir, bis wir einen ruhigen Flecken fanden, um die Route für die nächste Woche zu besprechen. Hier zogen wir unsere Schuhe aus und verstauten diese für die nächsten Tage in den wasserdichten Säcken. Wir beschlossen, solange das Wetter noch so schön ist, irgendwo unser Zelt aufzuschlagen und uns die Wildschutzhütten für schlechte Tage aufzusparen. Getreu dem Motto «nur ein Sandstrand ist gut genug für unsere zarten Füsse» zogen wir unser Kanu in der «Piratenbucht», hinter DANO 13, an Land und stellten in Rekordzeit unser Zelt auf. Mit einem Zwinkern sagte ich meinem Freund, dass unser Ferienziel ist, keinen einzigen Hering zu verlieren. Wie gut wir dieses Ziel erreichen würden, war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Ausser einem freundlichen Hund, der unser Zelt markierte und mit uns spielte, waren wir alleine und nutzten den wunderschönen Tag, um zu baden, Wasser zu füllen, die Esstonne zu sortieren, uns Menüs auszudenken, Ordnung in unsere Packsäcke zu bringen und die tollen Rezeptvorschläge zu studieren. Noch ziemlich gerädert von der durchzechten Nacht im Reisebus begaben wir uns bald schon in den Schlafsack und staunten, wie lange es in Schweden hell ist.
Am nächsten Morgen wurden wir vom Piratenhund geweckt und genossen unser erstes Frühstück in der Wildnis. Leider haben es die Tassen nicht bis nach Schweden geschafft, und so mussten wir den Kaffee direkt aus dem Kochtopf trinken. Outdoorfeeling pur . Schnell hatten wir alles zusammengepackt, beluden unser Kanu, verabschiedeten uns vom Hund und paddelten los. Auf dem Wasser hatte ich überhaupt kein Zeitgefühl. Ich genoss die Ruhe, das Geräusch, wenn die Wellen am Bug brachen, den Wind, die Sonne und die wunderschöne, unspektakuläre Natur. Am DANO 36 machten wir Mittagsrast und kochten uns auf dem Feuer eine Suppe. Hier trafen wir ein nettes Paar aus Berlin, wechselten mit ihnen ein paar Worte und zogen dann weiter Richtung Osten. Vom Wasser aus sahen wir ziemlich nahe einen Elch, der vor uns flüchtete. Einerseits waren wir enttäuscht, weil wir ihn gerne fotografiert hätten, andererseits hatten wir auch ziemlich Respekt vor diesem Wildtier und hofften, ihn nicht mehr zu sehen. Unsere nächste Nacht verbrachten wir mitten im Wald mit wunderbarer Sicht auf den See. Die nächtlichen Geräusche werden wir so schnell nicht mehr vergessen.
Am Morgen hatten wir bereits eine Morgenroutine entwickelt. Mein Freund rührte das Milchpulver an, damit wir Müsli essen konnten, währenddessen ich die Schlafsäcke nach draussen auf die Wäscheleine hängte, um diese auszulüften. Nach dem Frühstück wusch er ab, ich verpackte Schlafsäcke und Isoliermatten in den wasserdichten Säcken. Anschliessend packten wir gemeinsam das Zelt ein und beluden das Kanu. Wieder stiessen wir das Kanu ins Wasser und paddelten los. Weil wir keinen Kanuwagen dabeihatten und bereits das Ende des Seearms erreicht hatten, mussten wir umdrehen. Heute waren viele schwedische Motorbootfahrende auf dem See und ich wurde, obwohl mein Freund ein super Steuermann ist, von der einen oder anderen Welle etwas nassgespritzt. Unser heutiges Ziel war die Insel Bärön beim DANO 19. Auch dieser Ort hatte einen wunderschönen Sandstrand, der zum Baden einlud und Bäron ist das Blaubeerparadies auf Erden! Die Gruppe junger Männer, die die Wildschutzhütte belagerten, waren schon weit mehr als eine Nacht vor Ort, was an ihrer Auslegeordnung zu erkennen war. Wir waren nach diesen zwei Tagen Zweisamkeit überhaupt nicht in Stimmung, uns den Testosteronbolzen anzuschliessen und so bauten wir unser Zelt auf der anderen Seite der Insel auf und nutzten das gemeinsame Klo. Am Abend zog ein mächtiges Gewitter auf und wir übten uns, das Tarp zu spannen. Zum Glück hatten wir unser Ferienziel, keine Heringe zu verlieren, bereits so gut umgesetzt, dass wir 4 gefunden hatten. Mit der zusätzlichen Ausrüstung war es für uns ein Kinderspiel, einen Unterstand zu basteln. Als das Gewitter vorbeizog, war es merklich kühler und so wurde es Zeit, die Pullover aus dem Packsack zu ziehen, um beim Backen des Blaubeerkuchens nicht zu frieren. Wir waren immer wieder beeindruckt, wie gut die Esstonne unsere Bedürfnisse decken konnte. Jeden Tag assen wir lecker und ausgewogen. Wenn wir gerade nicht assen, dann freuten wir uns auf das nächste Essen.
Weil wir von Regengeräuschen geweckt wurden, beschlossen wir, noch etwas im Zelt zu bleiben und zu lesen. Als dann der Regen nachliess, wollten wir das Zelt abtrocknen lassen und zusammenpacken. Bevor das Zelt aber angetrocknet war, wurden wir erneut von einem Regenschauer überrascht. Es fiel uns nicht schwer, eine zweite Nacht auf dieser wunderschönen Insel Bärön zu verbringen.
Früh am nächsten Morgen zogen wir weiter. Wir paddelten schnell, weil die Gewitterwolken uns einzuholen drohten. Wir waren schneller als das Wetter und so kamen wir trocken und zufrieden beim DANO 20 an, wo wir Mittagsrast machten und den Regenschauer über uns hinwegziehen liessen. Weil uns dieser Ort nicht besonders gefiel, paddelten wir nach dem Regen erneut los und erreichten das wunderschöne DANO 22, wo wir eine sehr nette Familie trafen, die bereits seit 15 Jahren immer wieder in dieser Region Urlaub machen. Mein Freund hatte bei der Mittagsrast seine Flipflops vergessen, und so musst er nochmals lospaddeln, während ich das Zelt aufstellte und alles regensicher machte. Die Familie erzählte uns, dass es am nächsten Tag nur einmal regnen würde und so beschlossen wir noch am Abend, dass wir am nächsten Tag einen ruhigen Tag machen würden und nicht auf den See gehen. Wir sassen bis spät in der Nacht am Lagerfeuer und genossen den Abend in netter Gesellschaft.
Die erfahrene Familie hatte recht. Es regnete in Strömen, weshalb wir Frühstück im Bett machten. In einer Regenpause zogen wir in die Schutzhütte um, damit wir etwas mehr Licht und Platz hatten. Wir verbrachten den Tag faul im Schlafsack mit lesen, schwatzen, spielen, kochen, essen und aufräumen. Wir bereiteten bereits den 3. Blaubeerkuchen zu und irgendwie wollte es uns nicht gelingen, dass der Teig gebacken, aber nicht schwarz ist. Mit jedem Versuch kamen wir unserem Traum aber näher.
Am nächsten Morgen weckte uns die Sonne, allerdings war es deutlich kühler und so zogen wir Pullover und Regenjacke unter die Schwimmweste. Weil ich während des Paddelns kräftig ins Schwitzen kam (ja, es ist etwas anstrengend), musste ich meine Regenjacke ausziehen, bei Regenschauern wieder anziehen. Ich spielte dieses Spiel fünf Mal mit und beschloss dann, lieber vom Regen als vom eigenen Schweiss nass zu werden. Danach regnete es nicht mehr. So einfach kann es sein. Von der Familie bekamen wir den Tipp, den Autofriedhof anzuschauen. Dazu paddelten wir nach Bastnäs, liessen unser Kanu dort und spazierten 10 Minuten der Kiesstrasse entlang. Die Autos sind zwar kaputt und es stimmte uns traurig, dass Menschen mitten in einer so wunderschönen Landschaft Müll entsorgten. Allerdings faszinierte es uns ungemein, wie sich Bäume, Farne und Moose ihren Lebensraum zurückerobern und die Autos umwuchern. Diesen Ausflugstipp können wir weiterempfehlen. Danach folgte die interessante Fahrt durch den «Ärmelkanal» beim DANO 10. Unseren letzten Zeltplatz bauten wir gegenüber des DANO 10 auf. Hier wurde ich beim Sammeln der Blaubeeren so arg von den Ameisen angegriffen, dass ich es vorzog, meine naturverschmutzten Füsse in meine Schuhe zu stecken. Nach einer Woche barfuss unterwegs war dies ein eigenartiges Gefühl. Für das Feuer unseres letzten Nachtlagers schwang ich voller Vorfreude das Beil und traf meinen Zeigfinger. Noch heute weiss ich nicht, wie dies passieren konnte. Vielleicht hätte ich im Reisebus nicht schlafen dürfen?  Doch zum Glück war nur der Nagel ab und nach einem kurzen Schockmoment hatten wir auch die Blutung im Griff. Getröstet wurde ich von meinem Freud mit dem besten Blaubeer-Nutella-Kuchen, den ich je in meinem Leben gegessen habe. Zeit und moderate Hitze ist das Geheimrezept. Beides genossen wir in diesen Sommerferien jeden Tag.
Am nächsten Morgen mussten wir bereits früh los, weil wir unser Kanu vor 10 Uhr abgeben wollten, um genug Zeit für die individuelle Heimreise zu haben. Ohne Zeigefinger zu paddeln, stellte sich als Herausforderung dar. Aber wir waren nach einer Woche ein so eingespieltes Team, dass wir sehr schnell vorwärtskamen. Wieder im Outdoorcamp angekommen, wuschen wir die Sachen, stellten unser Zelt zur Kontrolle auf, zeigten stolz unsere 11 (!) gefundenen Heringe und gaben alles Material ab. Tiefenentspannt machten wir uns zu Fuss auf den Weg nach Ärjang, um von dort mit dem öffentlichen Verkehr nach Hause zu reisen.
Wir verbrachten völlig sorglose Tage in Ruhe und Harmonie und konnten definitiv entspannen. Ein perfekter Urlaub!

Geschrieben im August 2021, Salome B.

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