Reisebericht – Kanutour auf eigene Faust 18.07.14

„Wollen wir gemeinsam in den Urlaub fahren?“
Mit dieser Frage begann alles. Fest stand, dass wir auf jeden Fall einen Outdoor-Urlaub machen wollten. Nach erst anderen Reiseplänen hat Tabea von ihrem Mitbewohner scandtrack empfohlen bekommen. Wir sahen uns die Website an und eine reichliche Woche vor Reisebeginn buchten wir. Sehr spontan.
Am 18.07.14 um 12:01 Uhr ging es also vom Erfurter Hauptbahnhof los. Wir fuhren bis nach Leipzig, wo uns 15:45 Uhr der Reisebus einsammelte. Ab nach Schweden! Und das mit einem leichten Bänderriss an Lydias linkem Fuß, den sie sich auf der Zugfahrt von Halle nach Leipzig zuzog. Ohje. Und dann soll sich die Familie noch mal Sorgen über das machen, was im Ausland alles passieren kann – auf so einer Outdoor-Tour. Dieser Bänderriss sollte, zum Glück, das Schlimmste bleiben, was wir uns in Schweden zuzogen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit voller Schlaflosigkeit, Kälte, Enge, Wärme, übermüdeten Witzen, ein paar Pausen, vorfreudiger Einstimmung, wundervoller Landschaft und verbrauchter Luft fanden wir davon 11:00 Uhr des nächsten Tages im Basiscamp, in Lennartsfors, ein Ende. Nach Begrüßung, kurzer Einweisung und langem Umpacken ging es aufs Kanu und es wurde losgepaddelt. (Ja! Wir haben die ca. 5000 kg schwere Essentonne bis zum und vor allem aufs Kanu bekommen!)
Nach einigen Orientierungsschwierigkeiten und Gewöhnung an das Kanufahren kamen wir an diesem Nachmittag noch nicht allzu weit und fanden eine kleine Insel – nur für uns – nördlich vom Basiscamp. Der erste schwedische Sonnenuntergang war fantastisch. Wir schliefen wie Steine und paddelten am nächsten Tag (Sonntag, 20.07.14) gegen Mittag los. Endlich haben wir gelernt, wie wir die Karte richtig lesen, um uns besser orientieren zu können. Also verpaddelten wir uns nur einmal kurz, während wir auf unser Tagesziel, das kleine Örtchen Lilla Sundsbyn, zusteuerten. Nach einer Pause auf dem Wasser, ein paar Begegnungen mit den motorbootverrückten Schwed*innen und einer Entenfamilie drehten wir um, denn die zweite Schlafplatzsuche stand noch bevor. Nur doof, dass sich auf dem Weg nichts fand und wir so die ganze Strecke wieder zurückpaddeln mussten – bis zu einer schönen Sandinsel. Diese befand sich in friedlicher Nachbarschaft zu der Insel, an der wir mittags starteten. Über 20 km! Am ersten kompletten Tag! Zwei taffe Mädels! Ohne Kanuerfahrung! Das muss uns erstmal Eine nachmachen!  20:30 Uhr traf das Kanu sanft auf dem Sand unseres zweiten Nachtlagers ein. An diesem Abend versuchten wir uns noch an Pizzabrötchen, scheiterten aber kläglich. Die Nerven lagen etwas blank und zur Belohnung ging es bald schlafen, wobei dies nicht so gut klappte, wie zur ersten Nacht.
Am nächsten Morgen (Montag, 21.07.14) ging es aus dem Schlafsack direkt ins Wasser. Frühstück, Sachen zusammengepackt, weitergefahren. Unser Wochenziel war nun einmal Nössemark (südlich von Lennartsfors) – hin und zurück. Wir paddelten und paddelten und plötzlich sagte Tabea: „Ist das nicht die Anlegestelle vom Basiscamp?“ Ja, tatsächlich. Da war sie. Das zeigte uns, dass wir wohl doch noch ein bisschen Orientierungsschwierigkeit mit der Karte hatten – nicht zu unterschätzen mit den vielen Felsen und dem Wasser, es sieht alles ähnlich aus. (Kleiner Tipp: es sind immer auch Häuser auf der Karte eingezeichnet, was uns später sehr zur Orientierung half.) Also wieder zurückgepaddelt und in die richtige Richtung gesteuert. Trotz allem fanden wir ca. 15:00 Uhr das Camp Tüllon und legten dort an, wir waren noch etwas geschafft von unserem Rekordtrip am vorigen Tag. Erste Erfahrungen mit dem Trockenklo bahnten sich an und inbegriffen das Bewundern der Galerie, die sich an der Innentür befand. Nach diesem duften Erlabnis bevorzugten wir aber weiterhin in jeder Lebenslage möglichst FRISCHE Luft zum Atmen zu gebrauchen und bei allem die Natur zu genießen. So können wir jetzt zumindest wunderschöne kleine Löcher graben.
Wir nutzten zum zweiten Mal das scandtrack-Kochbuch und machten Kartoffelsalat über dem selbstgemachtem Lagerfeuer. Richtig lecker! Der Krümeltee leerte sich auch immer mehr. Immer noch sehr ungewohnt waren die langen Sonnenstunden und späten Sonnenuntergänge. Irgendwann legten wir uns trotzdem schlafen – mit dem Ziel um 6.00 Uhr des nächsten Morgen aufzustehen, fir für eine längere Strecke. Ein Frosch, der ständig gegen die Zelttür sprang, hielt uns kurzzeitig vom Schlafen ab.
Um 7.00 Uhr (Dienstag, 22.07.14) krabbelten wir dann doch aus dem Schlafsack und standen auf. Das zahlte sich aus, denn wir paddelten 9.45 Uhr los – Aufsteh-Frühstücks-Zusammenpack-Rekord! Wir wollten es heute bis zur letzten Campinsel kurz vor Nössemark schaffen. Das Wetter war, wie auch die letzten Tage, großartig. Sonnenschein, blauer Himmel, über 30°C. Zudem hatten wir Glück, da es an diesem Tag langzeitig windstill war und wir so noch besser vorankamen. Nach Begegnungen mit unserer inneren Verzweiflung, da das Ziel nicht näher kam, anderen Kanut*innen kurzem Schwächeanfall in der prallen Hitze und einer Frau, welche sich für eine Opernsängerin hielt, paddelten wir an eine Insel heran, um nach Hilfe zu fragen. Zwei Engländer erklärten uns, dass wir nicht mehr weiterfahren mussten, denn wir standen bereits auf der Insel, zu der wir wollten. Seit diesem Tag sind wir die Besten im Kartenlesen! Die Insel war schon von anderen scandtrack-Leuten überfüllt, wir fanden, nichtsdestotrotz, einen wunderbaren Platz für unser Zelt, Kanu, Plane und uns. Nach einer exzellenten Terence-Hill-Pfanne, einer wohlverdienten „Dusche“ (Eimer plus Freundin, der immer neues Wasser aus dem See holt plus dem Erschrecken, wie kalt doch das Wasser war) und einem kleinen Inselrundgang krakelten wir ca. 23.00 Uhr in unsere Schlafsäcke.
Es konnte nicht anders sein, wir standen wieder bei strahlendem Sonnenschein auf (Mittwoch, 23.07.14) und machten uns nach täglichem Rhythmus Richtung Zivilisation Nössemark auf. Zuerst war da eine Fähre, wir bogen früher ab und landeten in einem kleinen Moor, fanden dann aber ein Ufer, an dem wir anlegten. Im Boot schaukelnd blickten wir dem Örtchen entgegen – das also war Nössemark. Ebener Erde unter den Füßen haben wir uns gleich auf den Weg zum „Lanthandel“ gemacht, ein süßer Konsum. Wir benahmen uns wirklich wie zwei typische Touris, da wir alles fotografierten und uns sicherlich 20 Minuten in dem wirklich kleinen Laden aufhielten. Nachdem wir das Geschäft mit einer Tafel Schokolade, sechs Nektarinen und einer Packung Tee verließen, gingen wir Richtung Kirche, benutzten dort endlich wieder mal eine richtige Toilette und schrieben noch ins Gästebuch. Völlig zufrieden und sozial aufgetankt, paddelten wir wieder los, um einen Schlafplatz zu suchen, den wir auch nahe auf einer Insel fanden. Wir machten es uns zwischen Entenkötteln und Ameisen gemütlich, aßen Nudeln mit Tomatensauce und waren baden.
Zum kommenden Morgen (Donnerstag, 24.07.14) gönnten wir uns etwas längeren Schlaf und gingen den Tag entspannt an – mit dem Backen von Pancakes. Mit viel Nutella schmeckten sie super! Mittags ging es zurück Richtung Lennartsfors. Doch diesmal nicht so einfach, denn am Nachmittag gestaltete sich das Vorankommen schwieriger, da immer mehr Wind aufkam und der Himmel plötzlich grummelte. Ungefähr 17:00 Uhr erreichten wir das Camp Guppviksön – gerade noch rechtzeitig, um kurz ins Wasser zu springen, alles aufzubauen und uns ein Dach aus der Plane zu bauen. Dann fing es auch schon an zu regnen, zu gewittern und zu hageln. Es war tatsächlich schön, auch so ein Wetter mitzubekommen – plus Frischluft, die damit einherging. Es gab an diesem Abend Pilzreis und als das Gewitter abgezogen war, setzten wir uns ans Ufer und plauderten mit zwei Kajakfahrern und einem scandtrack-Pärchen. 23:30 Uhr war es tatsächlich so dunkel, dass wir zum ersten Mal unsere Stirnleuchten benutzen mussten.
Früh gegen neun brach unser letzter richtige Tag vor unserer Heimreise an (Freitag, 25.07.14). Wir entdeckten, dass eine Maus unseren übrig gebliebene Reis sehr lecker gefunden haben musste und machten uns vor dem Mittag auf, zur Rückfahrt. An diesem Tag waren Wind und Wetter wieder auf unserer Seite, denn wir kamen wieder sehr gut voran. Und wir waren nicht die einzigen mit dem brilliantem Einfall, schon mal Richtung Basiscamp zu paddeln, denn am späten Nachmittag sahen wir überall scandtrack-Leute zelten. Doch auch diesmal hatten wir Glück und fanden tatsächlich noch eine Insel, die unbewohnt war. Genussvoll gingen wir ein letztes Mal baden und auf einmal stand das scandtrack-Pärchen von letzter Nacht vor uns und schlug auf der Insel ebenfalls sein Zelt auf. Verrückt! Doch das reicht noch nicht, denn nicht viel später kamen noch zwei scandtrack-Kerle hinzu, mit denen wir schnell Kontakt knüpften und bis nach Mitternacht bei einem Lagerfeuer redeten. Die beiden kamen tatsächlich auch aus Thüringen – aus Greiz. Noch verrückter! Unser Ziel für den kommenden Tag war: den Autofriedhof zu besichtigen, bevor es zurück zum Basiscamp geht.
Nachdem Tabea schon um 5:00 Uhr wach war und den Sonnenaufgang genoss (Samstag, 26.07.14), stand der Rest 8:00 Uhr auf und machte sich auf den Weg zum Autofriedhof. Vergeblich. Also trugen uns unsere Kanus wehmütig, gegen peitschenden Wind, der Busfahrt Richtung Zuhause entgegen, mit Männern um die Wette paddelnd. 13:45 Uhr legten wir an, mussten unser ins Herz geschlossene Kanu geputzt allein zurücklassen und schleppten alles wieder hoch zum Lager. Diesmal war die Essentonne wenigstens um einiges leichter. Wir sahen die Menschen, die voller Vorfreude in ihre ein oder zwei Wochen Abenteuer starteten und uns fiel auf, dass wir beide auch hier die einzigen Frauen waren, die das Abenteuer ohne Mann oder Männer erlebte. Nach einigen Stunden des Zeltaufbauens, Rückgabe unserer geliehenen Gegenstände, Saubermachens, Umpackens und einer, diesmal richtigen, Dusche hieß es nun auf den Bus warten. Die Zeit verging jedoch wie im Flug und wir waren stolz auf unsere Bräune, die wir bekommen hatten sowie darauf, dass wir nicht einmal kenterten. Es gab Köttbular mit Gemüse, für die Vegetarier*innen statt Fleisch Kartoffeln und unser Bus startete, nach netter Verabschiedung, 21:30 Uhr Richtung Heimat. Kaum eine Viertelstunde gefahren, bremste der Bus plötzlich abrupt und vor uns stand, auf offener Straße, ein Elch mit seinem Jungen. Wahnsinn! Der Rest der Fahrt war lang und leider nicht mehr so spektakulär, mit einem kleinen Umweg kamen wir 18:20 Uhr im kalten und verregneten Leipzig an (Sonntag, 27.07.14). Unser Zug Richtung Erfurt erreichte uns erst zwei Stunden später, da die Strecke zeitweise wegen Unwetters gesperrt war. Und dann, endlich, 23:15 Uhr, kamen wir in Erfurt an, zu Hause waren wir 23:30 Uhr. Nach 26 Stunden Reise und kaum Schlaf waren wir so im Eimer, aber auch wahnsinnig glücklich.
Besser hätte Schweden nicht sein können!
Noch immer wohnt in uns eine kleine Sehnsucht Richtung Norden und zum Verarbeiten der schönen Erlebnisse haben wir ein Video gedreht. Lydias Fuß hat sich nach vier Wochen auch, zum Glück, gut erholt und die Reise einigermaßen gut überstanden. Wir sind eben taffe Mädels :-D
Danke an scandtrack und wir sind sicher, dass wir uns wiedersehen!

Geschrieben im August 2014, Tabea P.

Video zur Reise

Bildergalerie zur Reise